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Gani Rama, Hashim Thaçi und der lange Schatten des Kosovokrieges

Gani Rama, Hashim Thaçi und der lange Schatten des Kosovokrieges

Heute vor einem Jahr wurde Gani Rama ermordet. Das Roma Center und der Bundes Roma Verband haben sowohl die kosovarische Polizei als auch die deutsche Botschaft in Priština angeschrieben und zur Aufklärung aufgefordert. Ohne Reaktion. Der Mörder wurde zwar gefasst, aber es ist uns nicht bekannt, wie der Stand der Dinge ist. Gani Rama wurde Opfer des fortlebenden Nationalismus im Kosovo.

Derzeit ist Hashim Thaçi, der kosovarische Präsident, wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit vorläufig vor dem Kosovo-Sondertribunal in Den Haag angeklagt. Thaçi wird unter anderem die Verantwortung für etwa 100 Morde an Roma und Serben während des Krieges 1998-1999 zur Last gelegt. Thaçi war ein führendes Mitglied der UÇK, die für die Abspaltung der mehrheitlich von Albanern bewohnten Provinz Kosovo gekämpft hat. Wenn er tatsächlich verurteilt wird, wäre das ein Novum, denn bis heute gab es keine erfolgreiche Anklage gegen Führer der UÇK. Carla del Ponte, die ehemalige Den Haager Chefanklägerin für Kriegsverbrechen in Jugoslawien nennt als Grund dafür in ihren Memoiren, die Zeugen seien so verängstigt und eingeschüchtert gewesen, dass sie sogar Angst hatten, über die UÇK-Präsenz in einigen Gebieten zu sprechen, ganz zu schweigen von den tatsächlichen Verbrechen. Diejenigen, die bereit gewesen seien auszusagen, mussten mit ihrer gesamten Familie in andere Länder überstellt werden, und viele Staaten waren nicht bereit, sie aufzunehmen.

Die Kosovo-Albaner, ebenso wie Politiker der NATO-Länder behaupteten damals, die Serben planten einen Genozid an den Albanern. Bis heute gibt es dafür keine Beweise. Mit der Behauptung wurde jedoch die Bombardierung des souveränen Staates Jugoslawien 1999 begründet. Nach ihrem Sieg haben die Albaner Roma und andere Minderheiten des Gebiets vertrieben, ihr Eigentum geplündert und übernommen. Bis heute kommt es immer wieder zu Gewalt gegen die wenigen Roma, die noch dort leben oder dorthin abgeschoben wurden. Ihr Eigentum bekommen die Vertriebenen nicht zurück. Es gibt keine Aufklärung, was mit den verschwundenen Menschen passiert ist, über den Organhandel, die Vergewaltigungen, die Folterungen und all die anderen Verbrechen. Das wird von den Roma-NGO, die auf europäischer Ebene agieren und in Brüssel und Strasbourg sitzen, bis heute ignoriert. Es ist jetzt an der Zeit, dass Menschenrechtsorganisationen dieses Thema endlich auf die Tagesordnung setzen und den Opfern Gerechtigkeit widerfährt.

Unsere Mandant_innen erzählen immer wieder von der Gewalt, die sie erlebt haben. Sie leiden bis heute. Die Behörden glauben ihnen nicht. Viele haben noch immer keinen Aufenthalt, werden nach Jahrzehnten abgeschoben. Gani Rama sagte vor seiner Abschiebung: Wenn ich ins Kosovo abgeschoben werde, bringen sie mich um.


Vor einem Jahr schrieben wir:

Am 20.7.2019 wurde Gani Rama, der viele Jahre in Göttingen gelebt hat, schwer misshandelt in einer Straßenunterführung mitten in Priština aufgefunden. In der Notaufnahme verstarb er an seinen Verletzungen, wie eine Zeitung berichtete. Ein Roma-Journalist aus Priština, den das Roma Center kennt, hat sich bei der Polizei erkundigt und erfahren, dass eine Überwachungskamera die Tat und den Täter aufgezeichnet hat. Wir warten ab, ob der Täter ermittelt und strafverfolgt wird. Unserer Erfahrung nach ist das häufig nicht der Fall. Der Journalist hat mit Ganis Mitbewohner gesprochen, der die Leiche identifiziert hat.

Gani Rama floh nach der Bombardierung Jugoslawiens 1999, dem so genannten Kosovokrieg, nach Deutschland. Hier lernte er seine Frau kennen, die seit 1990 in Deutschland lebte. Das Paar bekam fünf Töchter. Im Januar 2010 wurde Gani Rama zum ersten Mal verhaftet und in den neu gegründeten Staat Kosovo abgeschoben.

Dort erging es ihm sehr schlecht. Er war obdachlos und wurde mehrmals verprügelt. Als das Roma Center ihn 2010 und 2012 in Priština besucht hat, erzählte er uns von Drohungen und Prügel durch Kosovo-Albaner. Da er so oft angegriffen wurde, war er überzeugt, dass er eines Tages umgebracht werde. Ein Nachbar drohte ihm: “Sehe ich dich nochmal auf der Straße, bringe ich dich um”. Gani ging zwar zur Polizei, bekam dort aber keine Hilfe, sondern nur Drohungen, dass man IHN einsperren werde, wenn er sich nochmal beschwere. Auch in den Asylverfahren nannte er die Drohungen als Grund, jedoch wurde ihm nie geglaubt. (Siehe „Tag 4“.)

Weil er im Kosovo nicht sicher war und zu seiner Familie wollte, kam er nach mehreren Monaten illegal nach Deutschland zurück. Jedoch wurde er verhaftet, konnte aber nicht in Abschiebehaft gebracht werden, da er an lebensbedrohlicher Tuberkulose litt. Er blieb mehrere Monate in stationärer Behandlung, während am 12. April 2011 seine Frau mit ihren Töchtern alleine abgeschoben wurde. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wurde auch Gani abgeschoben.

Die Familie lebte unter schlimmen Bedingungen im Kosovo. Ganis Gesundheitszustand blieb schlecht, da seine Behandlung durch die Abschiebung abgebrochen wurde.

Ein weiterer Versuch erfolgte, in Sicherheit zu leben – die Familie kam zurück nach Deutschland. Am 24.5.2017 wurde Gani Rama erneut ins Kosovo abgeschoben. Seitdem hat er ohne seine Familie in Priština gelebt. Dort wurde er am 20.7. getötet. Unser Beileid gehört seiner Familie.

Mehr zur Familie von Gani hier und hier.

*

Öfter zeigt sich, dass das Leben von Roma im Kosovo nicht viel Wert ist. Erst vor kurzem wurde ein brutaler Angriff auf eine Roma-Frau gefilmt (hier ein Link zu dem gewalttätigen Video), während diverse Personen tatenlos zusahen.

RTK hat Gani Ramas Nachbarn Hisni Musa interviewt. Hisni Musa sagt, Gani habe nie jemandem etwas Schlechtes getan. Nachmittags seien Polizisten gekommen und hätten gefragt, ob er Gani Rama kenne. Er sagte ja, und sie meinten, sie hätten ihn gefunden, er sei tot.

Hisni kritisiert den Mord: „Ein kranker Mann wurde angegriffen, und wir wollen, dass die Nationalität des Täters bekannt wird. Es war nicht das erste Mal, dass ein Rom getötet wurde, und dieser Ort ist nicht sicher für uns. Wir müssten unsere Koffer packen und weggehen. Aber wohin? Es gibt keinen sicheren Ort. Die Leute werden abgeschoben, aber es gibt hier keine Sicherheit für uns. Selbst im Haus können wir nicht in Sicherheit sein. Seht euch an, was mit Roma passiert. Wir müssen aufstehen und dürfen keine Angst haben, für unsere Rechte zu kämpfen.“

Die Polizei habe ihm mitgeteilt, niemand könne Ganis Leiche mitnehmen, bis die Familie käme. Die Polizei hat ihm ein Bild des Täters gezeigt, aber es war unscharf. Er soll nochmal hin, um sich die Videoaufnahmen anzusehen.

Verwandte von Gani sind inzwischen nach Priština gereist. Sein einziger Bruder konnte nicht anreisen, da er in Göttingen nur geduldet ist.

Screenshot eines Postings von 2018 auf der Facebook-Seite von Dardania Press, der inzwischen gelöscht wurde. 

Darin wird behauptet, die Polizei im Kosovo habe der Zeitung die Information gegeben, Gani Rama sei ein Kriegsverbrecher.

Zudem wurde eine Kopie seines Ausweises veröffentlicht. Wir fragen uns, ob die Polizei das wirklich weitergegeben hat. In jedem Fall hat diese Lüge zu seinem Tod beigetragen.



Der Mann mit dem geteilten albanischen Adler auf der Brust konnte als 
Täter verhaftet werden, da eine Überwachungskamera gefilmt hatte, wie er 
die Tat verübte.
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