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Diskriminierung gegen geflüchtete Roma in Tschechien. Teil 2

Am 31. Mai 2022 endete die humanitäre Hilfe zivilgesellschaftlicher Organisationen für geflüchtete Roma aus der Ukraine am Prager Hauptbahnhof. Die Romnja und ihre Kinder dürfen dort nicht mehr schlafen. Etwa 150 von ihnen sollen in die “Zeltstadt” im Stadtteil Malešice umziehen. Der Verein RomPraha ist mit der Entwicklung der Situation unzufrieden und hat auch seine Aktivitäten am Hauptbahnhof beendet. Die Organisationen kritisieren sowohl die Stadt Prag als auch die tschechische Regierung für ihren Umgang mit den Geflüchteten.

“Wir bedauern, dass die Politiker der Stadt Prag nicht mit uns verhandeln und keine sinnvollen Vorschläge zur Lösung der Situation am Hauptbahnhof der Hauptstadt vorlegen. Wir lehnen jegliche Repressionen seitens der Polizei und des Innenministeriums ab”, so RomPraha gegenüber  Romea.cz.

Ein Teil der Geflüchteten vom Prager Bahnhof wurde durch Ehrenamtliche in Tschechien, sowie Roma Center/ RAN und Romani Kafava in Hamburg untergebracht.

Ein weiterer Teil lebt in den „Zeltstädten“, die in den Prager Stadtteilen Malešice und Troja eingerichtet worden sind, da aus der Ukraine geflohene Roma keine Unterkunft bekommen haben. An beiden Orten gibt es Betten für jeweils etwa 150 Personen. Es soll Zelte geben, in denen die Menschen schlafen, aber auch zum Duschen, Essen etc.

Das offizielle Prager Aufnahmezentrum wird nun auch geschlossen, da Prag mit der Verteilung der Geflüchteten unzufrieden ist. Es soll erst wieder geöffnet werden, wenn sich „die Lasten zwischen den Regionen verteilt haben und die Regierung motivierende Maßnahmen ergriffen hat, die ausreichen, um die Flüchtlinge zur Umsiedlung zu bewegen,“ so der Prager Bürgermeister.

Die Stadt will Geflüchtete, die mit dem Zug anreisen, darüber informieren, dass das Aufnahmezentrum geschlossen ist und sie sich in andere Regionen als Prag begeben sollen. Die Stadt wird nun die bestehenden Unterkünfte auf ihrem Gebiet analysieren und prüfen, ob deren Betreiber bereit sind, Geflüchtete aus der Ukraine unterzubringen, sobald die von der Regierung vorgeschriebene dreimonatige Frist, in der die Regionen verpflichtet sind, sich um die Geflüchteten zu kümmern, abgelaufen ist.

“Es gab keinen gleichberechtigten Zugang für Roma-Flüchtlinge, die das Registrierungszentrum entweder gar nicht oder nur in Begleitung eines Mitarbeiters des gemeinnützigen Sektors oder eines Polizeibeamten betreten durften. Sie fanden sich dann in einer Situation wieder, in der sie entweder draußen oder unter einem vor dem Gebäude aufgestellten Zelt warten mussten”, erklärte die stellvertretende Ombudsfrau Monika Šimůnková, die das Team leitete, gegenüber Seznam.cz.

Auch im süd-tschechischen Brno wurde inzwischen eine „Zeltstadt“ für etwa 60 Roma errichtet. Die Zustände dort sind laut Unterstützer:innen untragbar. Die Zelte sind auf unbefestigtem Grund. Wenn es also regnet, steht alles unter Wasser. In den Zelten wurde es bereits an die 50 Grad heiß. Während die Stadt behauptet, sie würde die Geflüchteten mit allem Nötigen versorgen, sagt die NGO NAIFF, es gebe keine Lebensmittel und keine medizinische Unterstützung. Auch die dort tätigen Roma-NGOs kritisieren die Stadt heftig für ihren Umgang mit den Geflüchteten.

In Nové domky, im west-tschechischen Bezirk Tachov, soll ebenfalls eine sogenannte Zeltstadt für etwa 150 geflüchtete Roma aus der Ukraine entstehen. Diese Geflüchteten sollen auf doppelte Staatsangehörigkeit hin überprüft werden. Während dieser Phase werden sie nicht registriert und erhalten keinerlei Leistungen – anders als andere ukrainische Geflüchtete. Es gibt derzeit (nicht nur) in Tschechien die Unterstellung, ukrainische Roma hätten eine doppelte Staatsangehörigkeit – neben der ukrainischen auch die ungarische. Wenn das zutrifft, erhalten sie keinerlei Unterstützung. Jedoch hat nur ein sehr geringer Anteil geflüchteten Roma eine doppelte Staatsangehörigkeit.  Auf die Anfrage von Romea.cz, wieviele ukrainische Staatsbürger:innen in den letzten drei Monaten abgelehnt wurden, hat das tschechische Innenministerium auch gar nicht erst geantwortet.

Es handelt sich also in erster Linie um ein Narrativ, das dazu dient, aus der Ukraine geflohene Roma als „Wirtschaftsflüchtlinge“ zu stigmatisieren. Auch in anderen europäischen Ländern gibt es diese diskriminierende Darstellung, derzufolge nur weiße Ukrainer:innen vor dem Krieg fliehen, während ukrainische Roma den Krieg nur nutzen würden, um ihre ökonomische Situation zu verbessern.

Inzwischen wurde tatsächlich offiziell festgestellt, dass es diskriminierende Praktiken gegenüber geflüchteten Roma, einschließlich Kindern, gibt, die aus der Ukraine in die Tschechische Republik fliehen. Die Inspektionen fanden Mitte Mai in den regionalen Hilfszentren für die Ukraine (KACPUs) in Brno, Ostrava, Prag und Zlín statt.

Sie überprüften, ob der Zugang zum Aufnahmeverfahren allen Geflüchteten gleichermaßen gewährt werde. “Es gab keinen gleichberechtigten Zugang für geflüchtete Roma, die entweder gar nicht oder nur in Begleitung eines NGO-Mitarbeiters oder eines Polizeibeamten das Registrierungszentrum betreten durften. Sie fanden sich dann in einer Situation wieder, in der sie entweder draußen oder unter einem vor dem Gebäude aufgestellten Zelt warten mussten”, erklärte die stellvertretende Ombudsfrau für Rechte, Monika Šimůnková, die das Team leitete.

“Sie mussten bereits eine Unterkunft haben, um überhaupt einen Antrag auf vorübergehenden Schutz stellen zu können”, sagte Šimůnková. Laut der Menschenrechtsbeauftragten der tschechischen Regierung, Klára Šimáčková Laurenčíková, trug das Verhalten der Mitarbeiter:innen des Zentrums zu der humanitär unhaltbaren Situation am Prager Hauptbahnhof bei, über die wir auch hier berichtet haben.

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