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Kroatien: Vernichtet, nicht umgesiedelt

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Foto/Hrvatski državni arhiv (www.jusp-jasenovac.hr) – Kuća leleka, Uštica, 1942.

Vernichtet, nicht umgesiedelt

Roma waren in Europa eines der Opfer des Zweiten Weltkriegs. Viele europäische Länder haben den Plan der Vertreibung und Vernichtung angewendet. Dieser Völkermord wird in der Forschung Holocaust oder Porjamos genannt. Die sogenannte Unabhängige Staat Kroatien (Nezavisna Država Hrvatska, kurz: NDH) war führend was die Anzahl der Roma-Bevölkerung betrifft. Davon zeugt vor allem der Umfang: Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten um die 15.000 Roma auf kroatischen Gebieten, danach waren es lediglich 400.

Das Sterben der Roma im Zweiten Weltkrieg ist auch heute noch ein in der europäischen und außereuropäischen Geschichtswissenschaft wenig behandeltes Thema. Im Schatten anderer Ereignisse wird daher auch von einem ‚vergessenen Holocaust’ gesprochen.

Der vernachlässigende Umgang ist sowohl in der Wissenschaft als auch in der Öffentlichkeit Kroatiens gegenwärtig. In der kroatischen Geschichtswissenschaft nach 1945 zeigte man kein größeres Interesse an umfassenderen Untersuchungen. Eine Ausnahme bilden die Arbeiten von Narcisa Lengel-Krizman über Roma in KZ Jasenovac.

Um die Umstände, die dazu führten genauer erfassen zu können, ist es wichtig die faschistische Regierung des Ustascha-Regimes näher ins Auge zu fassen. Das deutsche Projekt „Endlösung“ bezieht sich in Teilen auf Roma. Durchgeführt wurde es mit Mitteln der Sterilisierung und Euthanasie im Dienste der „Rassenreinheit“ des „deutschen Volkes“.

Roma in Europa waren einer der ersten Opfer des Zweiten Weltkriegs. Viele andere Länder übernahmen dieses Programm. In der deutschsprachigen Wissenschaft wird der Begriff „Zigeunermord“  verwendet.

Ustascha-Kopie der NS-Gesetze

Die nationalsozialistische Praxis gegenüber der Roma-Bevölkerung wurde von dem Ustascha-Regime übernommen. Dazu zählen: Gesetze gegen „die Zigeunergefahr“ und die Herstellung einer „rassisch reinen Lebensumgebung“. Fundament bildeten hier Verordnungen zur „Rassenzugehörigkeit“ und die sog. Arier-Gesetzte in der kroatischen Variante, die nur wenige Wochen nach der Machtübernahme der Ustascha beschlossen wurden.

Um diese auch schließlich durchsetzen zu können, wurden „Upute o rasnoj pripadnosti“, also Anweisungen zur „rassischen Zuordnung“ von der Regierung zusammengestellt. Auf Grundlage dieser Anweisungen hat das Innenministerium der NDH Anfang Juli 1941 eine Zwangsregistrierung von Roma veranlasst, die dann in den kommenden Monaten durchgeführt wurde. Zur gleichen Zeit fanden auch die ersten großen Mordaktionen gegen Roma statt ebenso wie die Vernichtung der serbischen Bevölkerung bei Karlovac.

Weitere Maßnahmen der Ustascha-Regierung bezogen sich auf die ‚Kolonisierung der Roma’, der de facto Freigabe zur Deportation. Die dafür angelegte Behörde diskutierte diese Maßnahmen der ‚Umsiedlung’ als Möglichkeit, sich endgültig von dem Problem der Kriminalität zu ‚befreien’. Allerdings wurden diese Pläne durch den Kriegseinbruch verhindert und somit direkt zur genozidalen Lösung übergegangen.

Deportationen fanden somit erst ab der zweiten Maihälfte 1942 statt. Auf Anweisung des Innenministeriums (unter politischem Einfluss der Deutschen) wurden Roma nun zusammengeschart und in die Jasenovac-Gebiete transportiert. Zu diesem Zeitpunkt wurde dann mit dem systematischen Raub der Besitztümer, gewaltvollen Gefangennahmen und schließlich der Deportation in die Konzentrationslager und Vernichtung der Roma-Bevölkerung begonnen.

Die Aktionen wurden in der Öffentlichkeit als Maßnahmen zur ‚Heranführung zur Arbeit und handwerklichen Befähigung’ präsentiert. Den Roma selbst wurde versprochen, sie beispielsweise in die geräumten Häuser der Serben und Montenegriner im Kosovo anzusiedeln oder nach Bosnien (sog. Mittel-Kroatien) bzw. in den „Zigeunerstaat“ umzusiedeln. Bei Ankunft im Konzentrationslager wurde ein Teil der Roma direkt getötet. Der andere Teil wurde zunächst in den leeren serbischen Häusern im Dorf Uštica untergebracht.

Wegen der großen Anzahl wurden im weiteren Verlauf auch viele in dem Dorf Gradina untergebracht – hier fanden die größten Mordaktionen statt. Teile wurden als Arbeitskraft beim Ausbau des naheliegenden Walls eingesetzt, jedoch ebenfalls bald darauf umgebracht.  Man geht davon aus, dass sich bereits im Juli 1942 kaum noch Roma in Jasenovac befanden – ausgenommen die wenigen Totengräber, die Anfang 1945 getötet wurden.

Vernichtet, nicht umgesiedelt

An diesem System der Vernichtung war nicht alleine die Regierung beteiligt, sondern auch Teile der heimischen Bevölkerung. Davon zeugt der Fall deutscher Minderheitenorganisationen („kulturbundaši“), die mit Unterstützung der Regierung in den Gebieten um Valpovo und Virovitica Vertreibungen und Raubzüge durchgeführten. Aber nicht nur die deutsche Bevölkerung wirkte an den Pogromen gegen Roma mit, meist waren es Angehörige der kroatischen Mehrheitsgesellschaft.

Kroatische Bauern ersteigerten Möbel wie Tische, Schränke, Betten aber auch viele Werkzeuge. In den Gebieten um Donji Miholjac teilten Ustascha die Häuser untereinander auf. In anderen Gebieten, beispielsweise um Vukovar, Ludbreg und Garešnica, wurden die meisten Häuser zerstört. Auf diese Art wirkte die Bevölkerung an der Plünderung und Enteignung mit, und im Fall der Roma war dieser Anteil alles andere als gering.

Nichtsdestotrotz gab es auch Widerstand und Mitgefühl von Teilen der Nicht-Roma-Bevölkerung, wie die Beispiele Sokolovac, Valpovo und Kutjevo zeigen.

Das Ausmaß der Vernichtung der Roma im Zweiten Weltkrieg in Kroatien wird anhand der Zahlen deutlich: Mit der Volkzählung von 1931 lebten noch 15.000 Roma in Kroatien, 1948 waren es lediglich um die 400. 2011 erst wurde die Anzahl aus den Vorkriegsjahren wieder erreicht.

Probleme der Erfassung der getöteten Roma im Zweiten Weltkrieg ergeben sich zum einen daraus, dass die genaue Anzahl der Roma zu Kriegsbeginn unklar ist. Zum anderen fehlen viele Dokumente – sowohl von Einzelpersonen als auch der Ustascha-Regierung.  Es besteht die Möglichkeit, dass ein Teil der Roma-Bevölkerung rechtzeitig geflohen ist (nach Italien und Serbien).

Narcisa Lengel-Krizman konnte durch ihre Archivarbeit die Zahl 8.570 ermitteln (hinzu kommen 3.000 nicht-identifizierte Personen) – die meisten davon in den Gebieten um Vukovar und Osijek. Andere Historiker nennen 40.000 (Milan Bulajić), 25.000 (Antun Miletić), 15.0000 (Ivo Goldstein) oder 26.000 (Manachem Shelah/Dennis Reinhartz).

Einige Wissenschaftler, wie auch der Autor des Textes, sehen die Zahlen im Verhältnis: So bildet die Vernichtung der Roma auf den Gebieten der NDH, proportional gesehen, den größten Genozid an Roma im Zweiten Weltkrieg.

Quelle: http://romi.hr/zanimljivosti/hrvatska/istrebljenje-umjesto-naseljenja

Autor: Danijel Vojak

 

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