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Asylpolitik: Roma zwischen Marginalisierung und Abschiebung

Um die rechtliche Situation zu verstehen, die unmittelbaren Einfluss auf die Lebenssituation von Roma in Deutschland hat, müssen zwei Hauptgruppen unterschieden werden: 1. Roma und Sinti mit deutscher Staatsbürgerschaft, die als Minderheit anerkannt sind und 2. Roma mit Migrationshintergrund. Zu den Roma mit Migrationshintergrund zählen Drittstaatenangehörige und Angehörige anderer EU-Mitgliedstaaten, die infolge der EU-Osterweiterung (vorwiegend aus Bulgarien und Rumänien) zugewandert sind sowie Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien und aus dem Kosovo.
Die Roma Flüchtlinge sind eine sehr heterogene Gruppe, nicht nur wegen ihrer unterschiedlichen Herkunftsländer, ihrer Sprache und Religion, sondern ebenfalls hinsichtlich ihrer Aufenthaltsdauer und ihrer Aufenthaltserlaubnis. Etwa zwei Drittel aller Roma-Flüchtlinge haben keine Aufenthaltserlaubnis, die ihnen die Integration in die Bereiche Bildung, Beschäftigung, Gesundheitsversorgung und freie Wohnungswahl ermöglicht. Einem Unicef-Bericht (2007) zufolge leben schätzungsweise 23000 Roma aus dem Kosovo mit Duldung in Deutschland (darunter ca. 10000 Kinder), 3000-4000 geduldete Roma aus den Gebieten des ehemaligen Jugoslawien und aus anderen osteuropäischen Ländern ohne Papiere (darunter ca. 2000 Kinder) sowie 2929 geduldete Roma, als Asylsuchende, davon 1737 Kinder. 2011 wurde infolge der Abschaffung der Visapflicht für Kurzaufenthalte innerhalb der Schengen-Länder ein Anstieg von Asylsuchenden aus Serbien, vor allem von Roma, verzeichnet.
Die Möglichkeiten der Integration sind zwischen den Gruppen der deutschen Sinti und Roma und den Roma mit Migrationshintergrund signifikant verschieden, da der Aufenthaltsstatus den Zugang zu verschiedenen Rechten gewährt und somit auch ihren Status der Integration beeinflusst. Heute betrachtet sich die Mehrheit der deutschen Sinti und Roma als gut in die deutsche Gesellschaft integriert. Für diese Gruppe gibt es verschiedene kulturelle und soziale Projekte auf Bundes- und lokaler Ebene, die die gesellschaftliche Partizipation fördern und den Erhalt der kulturellen Identität und ihrer Sprache unterstützen. Die Situation der Roma-Flüchtlinge ist wiederum aufgrund ihrer unsicheren Bleibeperspektive prekär. NGOs und Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass Familien selbst nach einem langjährigen Aufenthalt in Deutschland von Abschiebung bedroht sind.
Das Gesetz zur Neubestimmung der Balkanstaaten (Serbien, Bosnien-Herzigowina, Mazedonien) als sogenannte „sichere Herkunftsländer“ wurde am 3. Dezember 2014 verabschiedet. Damit ist der Weg geebnet für die Ausweitung repressiver Maßnahmen
gegen Geflüchtete und Asylsuchende. Besonders erschreckend ist die starke Ausweitung der Abschiebehaft. Geflüchtete können dem Gesetzesentwurf entsprechend in Abschiebehaft
genommen werden, wenn sie Identitätspapiere wie Ausweise vernichtet, „eindeutig unstimmige oder falsche Angaben gemacht“ haben oder zu ihrer „unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge für einen Schleuser aufgewandt“ haben. Ebenso können
„Vorbereitungshandlungen“ zur Verhinderung der Abschiebung eine Haft zur
Folge haben.

Der neuen Gesetzeslage entsprechend wird sich die Situation von Schutzsuchenden aus Serbien, Bonsien Herzegowina, Mazedonien und Kosovo weiter verschärfen. Die Bundesregierung plant die Unterbringung von Asylsuchenden in „Erstaufnahmelagern“, um die Dauer der Asylverfahren zu verkürzen und Flüchtlinge mit geringen Chancen auf Asyl direkt aus den Lagern abzuschieben. Insbesondere für Roma ist die Gesetzesänderung fatal, da sie in den als sicher deklarierten Herkunftsstaaten strukturell ausgegrenzt werden und von rassistisch motivierter Gewalt bedroht sind. Eingestuft als Flüchtlinge mit geringer Bleibeperspektive, werden sie in Sammel-Sonderlagern bzw. „Erstaufnahmelagern“ untergebracht, in denen sie kaum Zugang zu Beratungsstellen und Anwälten haben und eine individuelle Überprüfung ihrer Fluchtgründe nicht gewährleistet werden kann.

Literatur:
Lechner, Claudia 2012: Germany. Franet National Focal Point. Social Thematic Study. The Situation of Roma.
Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin 2007: Zur Lage von Kindern aus Roma-Familien in Deutschland.
BRV 2015: Eng ums Herz. Bundesregierung berät über »Erstaufnahmelager« (Merkel) für die »von denen wir wollen, dass sie unser Land wieder verlassen« (De Maziere). (PDF)
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