Home » Rassismus und Genozid » Geschichte der Roma und Sinti ab 1945 in Deutschland

Geschichte der Roma und Sinti ab 1945 in Deutschland

Bis in die 80er Jahre gab es keine Aufarbeitung und Anerkennung des Völkermordes an den Roma und Sinti. Mit der Verweigerung von Entschädigung für die erlittene Verfolgung ging die Ausgrenzung der Minderheit systemübergreifend weiter. Am 17.03.1982 lud Helmut Schmidt eine Delegation des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma unter Leitung von Romani Rose ein und erkannte das nationalsozialistische Verbrechen als Völkermord an. Helmut Kohl bestätigte dies 1985. Am 27.01.2011 sprach erstmals ein Überlebender des „vergessenen Holocausts“ in der Gedenkstunde des deutschen Bundestages (Sinto Zoni Weisz, 1937 in Den Haag geboren). Am 24.10.2012 wurde das Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma in Europa vor dem Reichstagsgebäude in Berlin eingeweiht. Bis heute teilen Roma und Sinti in Deutschland Erfahrungen von Ablehnung und Ausgrenzung im Alltag, z.B. in der Schule, bei der Wohnungssuche, in der Nachbarschaft, auf der Arbeit etc.

Beim Zugang zu Wohnraum gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Roma. Es gibt beides, segregierte und de-segregierte Roma-Communities. Während einige Roma-Familien in derselben Wohnsituation leben, wie die meisten Deutschen, haben andere einen deutlich niedrigeren Wohnstandard. Häufig leben die Roma an den Rändern größerer Städte mit einer schwächeren Infrastruktur. Manchmal befinden sich Roma Communities in problematischen Gebieten, z.B. neben Industriegebieten, in der Nähe von Bahngleisen oder Mülldeponien. Problematisch ist vor allem, adäquaten Wohnraum für große Familien zu finden, die Sozialleistungen erhalten. Insbesondere für Familien, die mit dem Status der Duldung leben, ist es sehr schwer, adäquaten Wohnraum zu finden.

Zugang zu Arbeit
Die Beschäftigungssituation wird von mehreren Faktoren beeinflusst. Schwierigkeiten beim Arbeitsmarktzugang ergeben sich durch niedrige Bildungsabschlüsse und das Fehlen formaler Qualifikationen, aber auch wegen Diskriminierungen bei der Arbeitssuche. Besondere Bildungs- und Qualifikationsprogramme können die Integration in den Arbeitsmarkt fördern, sowohl von deutschen Sinti und Roma als auch von zugewanderten Roma. Die rechtliche Situation von Roma-Flüchtlingen und Asylbewerbern ist mit vielen Restriktionen bezüglich des Zugangs zum Arbeitsmarkt verbunden. Die Arbeitslosigkeitsrate ist entsprechend hoch.

Gesundheitsversorgung
Der Zugang zur Gesundheitsversorgung unterscheidet sich bei den verschiedenen Roma-Gruppen und ist in erster Linie abhängig von dem sozialen und ökonomischen Status. Schwierigkeiten in der Gesundheitsversorgung ergeben sich bei zugewanderten Roma aufgrund von Sprachbarrieren. Viele Roma Flüchtlinge und Asylbewerber leiden an einer posttraumatischen Belastungsstörung und damit verbundenen Symptomen. Problematisch sind ebenfalls Diskriminierungen seitens des medizinischen Personals und Misstrauen gegenüber medizinischen Institutionen seitens der Roma. In einigen Fällen können auch die schlechten Lebensbedingungen als bestimmender Faktor für die Gesundheitssituation identifiziert werden.

Ökonomische Situation
Betrachten wir die ökonomische Situation von Roma in Deutschland, so scheint es, dass alle Roma-Gruppen in unterschiedlichem Ausmaß von Armut betroffen sind. Roma sind häufig von Sozialhilfe abhängig. Für Flüchtlinge aus dem Kosovo und aus Serbien ist es besonders schwierig, Unabhängigkeit vom Sozialleistungssystem zu erlangen. Die ökonomische Situation korreliert signifikant mit der Bildungs- und Arbeitssituation.

Gesellschaftspolitische Teilhabe
Auch wenn in den letzten Jahren die gesellschaftspolitische Teilhabe von Roma zugenommen hat, sind Roma weiterhin nicht präsent in den Bereichen des bürgerlichen Engagements, z.B. in (lokalen) politischen Kommissionen oder Parteien. Diskriminierungen, insbesondere beim Zugang zu Wohnraum und im Bildungssektor, stellen das Kernproblem der Minderheit und ihres Integrationsbestrebens in die Gesellschaft dar.

Bildung
Ein unverhältnismäßig hoher Anteil von Roma hat niemals die Schule besucht oder hat die Schule ohne Abschluss abgebrochen. Ein Großteil der Roma-Kinder besucht Förder- und Sonderschulen. Nur eine Minderheit erreicht höhere Bildungsabschlüsse.
Die Bildungssituation wird von mehreren Faktoren beeinflusst: 1. unzureichende Deutschkenntnisse und hohe Armut verhindern den Bildungserfolg und 2. werden Roma und Sinti im deutschen Bildungssystem strukturell benachteiligt.

Literatur:
Lechner, Claudia 2012: Germany. Franet National Focal Point. Social Thematic Study. The Situation of Roma.
Bastian, Till 2001: Sinti und Roma im Dritten Reich. München: Verlag C.H. Beck oHG; S. 79ff.
Zentralrat deutscher Sinti und Roma 2006: Ergebnisse der Repräsentativumfrage des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma über den Rassismus gegen Sinti und Roma in Deutschland. Heidelberg.
BulgarianCroatianEnglishFrenchGermanItalianPortugueseRussianSerbianSpanishTurkish