
Athen: Dies ist kein Protest, dies ist ein Pogrom
Ein Netzwerk aus 30 Roma-Communities und fünf griechischen NGOs, die sich mit den Rechten von Roma befassen, rufen dazu auf, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit von Roma-Familien in Menidi, Athen, zu gewährleisten.
Nach dem tragischen Tod eines 11jährigen, der von einem Querschläger getroffen worden war (der Schütze war laut Medien ein Rom), versuchte ein wütender Mob drei Tage lang in der Athener Vorstadt Menidi, Attica, eine Roma-Nachbarstadt zu stürmen. Es kam zu Zusammenstößen, als Brandsätze geworfen wurden, die schweren Schaden an Roma-Häusern verursachten, und die Polizei Tränengas einsetzte, um den Mob zurückzuhalten.
Die Roma-Community in Menidi wurde beinahe umgehend kollektiv wegen des Vorfalls verantwortlich gemacht. Ein Mob bildete sich, um sie aus der Nachbarschaft zu vertreiben, in der sie seit 60 Jahren leben.
„Wir müssen jetzt Taten seitens der Behörden, des Staatsanwalt, des Bürgermeisterbüros, des Polizeichefs sehen. Es kann nicht sein, dass die Herrschaft des Pöbels als legitime Rechtsform in einem EU-Land erlaubt wird. Ich begrüße die jüngsten Untersuchungen dieser Hass-Verbrechen, da dies eine obligatorische Maßnahme unter EU-Recht darstellt. Jedoch müssen die Behörden die rassistische Motivierung dieser Angriffe bei der Strafverfolgung berücksichtigen“, sagte Đorđe Jovanović, Präsident des ERRC.
Das schockierende Gespenst der Kollektivbestrafung geht wieder um in Europa. Wir hatten angenommen, die Zeit der ethnischen Pogrome gehöre in Europa der Vergangenheit an. Wir irrten uns. In den letzten Jahren haben wir Anti-Roma-Mobs in Italien, Ungarn, der Tschechischen Republik, Rumänien, der Slowakei und der Ukraine ausbrechen sehen. Dieser jüngste Versuch eines Pogroms gegen Roma ist in vielerlei Hinsicht nicht ungewöhnlich.
Die Roma-Minderheit Griechenlands hat häufig unter wütenden Mobs im Land gelitten. Der letzte Anti-Roma-Pogrom ähnlichen Ausmaßes wie jetzt in Menidi ereignete sich in der Stadt Etoliko 2012 und 2013, als 70 Personen nach einem gewalttätigen Vorfall zwischen Roma und Nicht-Roma Molotow-Cocktails und Geschosse auf Roma-Häuser warfen. Wie jetzt in Menidi, wurde damals nach einem einzelnen Vorfall auch die Community durch Selbstjustiz des Mobs kollektiv verurteilt und bestraft.
Der Unterschied zwischen diesen und dem jüngsten Angriff in Athen liegt in der Tatsache, dass es sich nicht um ein Dorf auf dem Land handelt. Dies ist ein Pogrom in einem hauptstädtischen Vorort, wo ein wütender Mob gegen die Existenz einer ethnischen Minderheit in seiner Nachbarschaft randaliert. Diese jüngste Welle von Hass-Verbrechen gegen Roma zeigt den tiefsitzenden Anti-Romaismus und den zunehmenden Faschismus in der griechischen Gesellschaft.
nor did they proceed to prompt referrals to trial, even after complaints were filed by the Greek Helsinki Monitor. Such developments may only encourage these neo-Nazi groups” said Panayote Dimitras, Greek Helsinki Monitor Spokesperson.
„Sowohl in Etoliko im Januar 2013 als auch in Menidi im Mai 2017 wurden die Angriffe des Mobs von bekannten Neonazi-Gruppen, wie Goldene Morgenröte und Unabhängige Mäander Nationalisten/ Combat 18, die die Taten anschließend für sich reklamierten, organisiert und angeführt. Dennoch haben die Strafverfolgungsbehörden niemanden verhaftet oder etwas unternommen, um jemanden vor Gericht zu bringen, selbst nachdem Beschwerden beim Griechischen Helsinki-Monitor eingegangen waren. Solche Entwicklungen können diese Neonazi-Gruppen nur ermutigen“, sagte Panayote Dimitras, Sprecher des Griechischen Helsinki-Monitors.
Ein Video, das von weit rechts stehenden Gruppen online gepostet wurde, zeigt einen Brandanschlag auf das Haus des verdächtigen Rom (bei ca. min. 2:10) ebenso wie Hunderte Menschen, die marschieren und dabei „Zigeuner, Schweine, Mörder“ singen. Das Videomaterial zeigt später (ab ca. 3:30) einen weiteren Brandanschlag. Das Video endet mit Gewaltandrohungen gegen Roma in Menidi. Niemand wurde verhaftet.
Die unterzeichnenden Organisationen haben den Bürgermeister von Menidi und andere relevante Behörden aufgerufen, die Ordnung wieder herzustellen, sowie Ermittlungen und Strafverfolgungen gegen die beteiligten Personen aufzunehmen. Wir begrüßen die Ankündigung vom 20. Juni, dass Untersuchungen nun eingeleitet wurden. Dieser Angriff hat einmal mehr die Anwesenheit eines zutiefst verwurzelten Anti-Romaismus in diesem Land offengelegt. Es muss eine umfassende Untersuchung durchgeführt werden, und die Verantwortlichen müssen rechtlich belangt werden, nicht nur, um die Rechte betroffener Einzelpersonen zu schützen, sondern auch zum Schutz der gesamten Minderheit der Roma. Wir bitten den Staatsanwalt dringend, die rassistische Motivierung dieser Verbrechen als Teil der Untersuchung zu berücksichtigen. Griechische Behörden stehen in der Pflicht, die Möglichkeit rassistischer Motivierung zu untersuchen (gemäß EU-Rahmenbeschluss 2008/913/JHA, besonders Artikel 8, sowie Artikel 14, mit Blick auf Artikel 2 und 3, der Europäischen Menschenrechtskonvention).
Wir loben das Handeln der Polizei, die den Mob bis jetzt erfolgreich in Schach halten konnte. Jedoch zeigt die Einordnung dieser Krise durch Behörden und Medien als „Protest“ bestenfalls eine gewisse Naivität hinsichtlich der Art des Problems und schlimmstenfalls institutionellen Rassismus. Es handelt sich nicht um einen „Protest“, und diejenigen, die vor den Absperrungen der Polizei nach Blut trachten, sind keine „Protestierenden“. Dies ist ein Pogrom, und das ist ein Lynchmob.
Fürs Erste hat die Gewalt nachgelassen, jedoch wurde wenig getan, um die Situation in Ordnung zu bringen und die allgegenwärtige Bedrohung durch rechtsextreme Mobilisierung, und die Gefahr weiterer Gewalt durch den Mob ist ernst. Wir werden sowohl die Lage vor Ort genau beobachten als auch sämtliche institutionellen Reaktionen auf die Gewalt sowie die laufenden Ermittlungen. Rechtsstaatlichkeit muss unter allen Umständen die Oberhand behalten; es kann in unseren Demokratien keinen Platz für Selbstjustiz durch Lynchmobs geben. In Griechenland und anderswo stehen wir vor der Wahl: Demokratie oder Barbarei.
Unterzeichnet:
- European Roma Rights Centre
- Minority Rights Group – Greece
- Greek Helsinki Monitor
- Solidarity Now
- koordinierte Organisationen und Communities für Roma-Menschenrechte in Griechenland
Übersetzung aus dem Englischen. Der Original-Aufruf erschien am 21. Juni 2017 auf der Homepage des ERRC.




