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9jährige Romni wird von Schüler misshandelt. Lehrerin wiegelt ab

Irgendwo im Westen Deutschlands. Eine Romni holt ihre 9jährige Tochter wie jeden Tag von der Grundschule ab. Die Kleine ist ganz blass. Die Mutter fragt, was los sei. Lara, wie wir sie im folgenden nennen, um sie zu schützen, heißt eigentlich anders, aber sie ist erst neun Jahre alt und soll anonym bleiben, erzählt ihrer Mutter, was passiert ist. Die Schüler:innen hatten draußen Sport. Ein Junge hat Lara mit Sand geworfen. Sie wollte sich das nicht gefallen lassen und hat Sand zurückgeworfen. So geht das eine Weile hin und her. Sie hört auf. Er nicht. Er nahm sie in den Schwitzkasten und warf sie dann auf den Boden, auf Kieselsteine. Lara ist blass und ihr ist schlecht. Mitschüler:innen meinen, dass sie vielleicht eine Gehirnerschütterung hat.

Als die Mutter erfährt, was passiert ist, ist sie schockiert. Sie stellt die Lehrerin zur Rede, will wissen, warum sie nicht kontaktiert worden sei oder kein Krankenwagen gerufen worden sei.

Die Lehrerin sagt, es sei nichts passiert und der Unterricht sei eh fast zu Ende gewesen. Aber sie soll lieber mit Lara ins Krankenhaus gehen, es könnte eine Gehirnerschütterung sein.

Das tat die Mutter dann. Eine Gehirnerschütterung konnte ausgeschlossen werden. Einen Arztbrief bekommt die Mutter in der Notaufnahme jedoch nicht. Das würde direkt an den Hausarzt gehen. Bis heute hat die Mutter keine schriftliche Bestätigung darüber bekommen, was die Ärzte diagnostiziert haben.

Lara bekommt eine Weile Schmerzmittel, weil ihr alles weh tut, vor allem der Rücken und der Kopf. Sie kann eine Weile nicht zur Schule gehen. Auch die Mutter ist mit den Nerven am Ende, kann nicht schlafen.

Die Lehrerin ruft bei der Mutter an und möchte mit ihr und Lara sprechen. Der Junge hätte das nicht so gemeint. Sie unterstellt, es stimme nicht, was Lara über den Vorfall erzähle. Die Lehrerin war aber nicht dabei. Sie behauptet, dass Lara schon blass gewesen sei, als sie zur Schule gekommen sei. Die Mutter sagt, sie sei fit und gesund gewesen.

„Lara ist auch nicht unschuldig,“ sagt die Lehrerin. Er habe sie nur am Arm angefasst und niemand habe sie gestoßen. Sie unterstellt Lara zu übertreiben. Das sagt sie nicht zum ersten Mal. Das Kind kam schon öfter mit Wunden und Prellungen nach Hause. Mehrere Schüler:innen haben sie misshandelt oder sie geschaukelt, obwohl sie das nicht wollte: „Ich mache das so lange, bis du stirbst.“ Sie beschimpfen Lara. Die Lehrerinnen glauben ihr nicht. Sie sagen, Lara übertreibe.

Der Mutter ist auch früher schon aufgefallen, dass die Lehrerin Lara nicht mag. Das Kind hat das Gefühl, dass die Lehrerin im Unterricht über sie lache. Deswegen hat sie Angst, sich im Unterricht zu melden. Sie traut sich nicht, eine Frage zu stellen, wenn sie etwas nicht versteht, da sie das Gefühl hat, die Lehrerin würde sie auslachen. Das ist seit der ersten Klasse so.

Lara hatte Angst, zur Schule zu gehen.

Auch aus Göttingen kennen wir es, dass Kinder weinend aus der Schule nach Hause kommen, weil andere Kinder sich mit dem Z-Wort lustig über sie gemacht, schlecht über Migrant:innen geredet oder „Ausländer raus!“ gesungen haben. In einem Fall hat ein Vater die Rektorin seiner Tochter darauf angesprochen. Sie hat ebenfalls abwiegelnd reagiert. Kinder würden nunmal so reden. Adäquate pädagogische Aufarbeitung findet nicht statt. Auch dieses kleine Mädchen wird weiterhin weinend aus der Schule nach Hause kommen.

Zum Glück für Lara war das Schuljahr bei dem Vorfall fast zu Ende. Leider kam sie ab Herbst auf eine sogenannte Förderschule, obwohl sie nicht „behindert“ ist. Eine Benachteiligung, die sie mit vielen Roma-Kindern in Deutschland teilt und die der gravierendste Ausdruck struktureller Diskriminierung im deutschen Bildungssystem ist. Statt die Kinder mit entsprechenden Bedarfen, die auf ihrem sozialen Hintergrund basieren, angemessen zu fördern, damit sie gleichberechtigt an Bildung partizipieren können, werden sie meist auf sogenannten Förderschulen geschickt.

Abgesehen von dem Stigma, das „Förderschule“ bedeutet, sind auch ihre Zukunftsperspektiven stark eingeschränkt – sowohl was die schulische und berufliche Laufbahn betrifft als auch gegebenenfalls hinsichtlich ihres Aufenthaltsstatus. Denn selbst wenn eine Förderschule mit einem Förderschulabschluss absolviert werden kann (was nicht immer der Fall ist), wird dieser aufenthaltsrechtlich in einem Teil der Bundesländer nicht als Schulabschluss gewertet, durch den ein junger Mensch einen eigenständigen Aufenthaltstitel erwerben kann. Das bedeutet, die Kinder bleiben, wenn sie noch minderjährig sind, aufenthaltsrechtlich abhängig von ihren Eltern oder später vom Ehepartner. Ein selbstbestimmtes Leben wird weiter erschwert.

Sie bleiben immer auf schlecht bezahlte Hilfstätigkeiten und prekäre Arbeitsbedingungen angewiesen, was ihnen die Lebensunterhaltssicherung für den Aufenthaltsstatus nach § 25b erschwert und ihnen darüber hinaus wenig Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Damit sind nicht nur ihre eigenen, sondern auch die Lebensperspektiven ihre Kinder stark eingeschränkt und der Teufelskreis dreht sich weiter.

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