
Einstufung von Moldau als „Sicheren Herkunftsstaat“ verhindern!
Die Bundesregierung treibt die Einstufung von Moldau und Georgien als „Sichere Herkunftsstaaten“ voran. Wie wir erfahren haben, liegt ein Referentenentwurf für ein entsprechendes Gesetz vor, und das Bundeskabinett wird sich wohl in der letzten Augustwoche damit befassen. Danach werden Bundestag und Bundesrat darüber abstimmen.
Bereits vor einigen Wochen war in der Presse zu lesen, dass die Grünen Minister*innen in der Bundesregierung ihren Widerstand gegen das Vorhaben aufgegeben haben. So zeichnet sich ab, dass es vom Bundesrat – und damit von den einzelnen Landesregierungen – abhängen wird, ob Moldau und Georgien zu „Sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt werden.
Deshalb haben das Roma Center und einige andere Organisationen in den vergangenen Monaten Abgeordnete aus den Regierungsfraktionen in mehreren Landtagen kontaktiert, um zu fragen, ob sich ihre Landesregierung schon bezüglich ihres Abstimmungsverhaltens festgelegt hat. Es handelte sich dabei in den allermeistens Fällen um Grüne Landtagsabgeordnete, in einem Fall um eine Abgeordnete der Linken aus Mecklenburg-Vorpommern. Nur zwei Grüne Abgeordnete – Josef Winkler (Rheinland-Pfalz) und Daniel Lede Abal (Baden-Württemberg) antworteten. Von den weiteren angeschriebenen Abgeordneten – darunter Marie Schäffer (Grüne, Brandenburg), Benjamin Rauer (Grüne, Nordrhein-Westfalen), Gönül Eğlence (Grüne, Nordrhein-Westfalen), Steffi Pulz-Debler (Linke, Mecklenburg-Vorpommern) und Martina Feldmayer (Grüne, Hessen) – haben wir seit unserer Anfrage am 4. Juli keinerlei Reaktion erhalten. In vielen ihrer Koalitionsverträge finden sich schöne Worte der Wertschätzung für migrantische Selbstorganisationen und Ankündigungen, diese zu unterstützen und zu fördern. Doch wenn eine migrantische Selbstorganisation aus eigener Initiative versucht, sich in politische Prozesse einzubringen, sieht die Realität offenbar anders aus.
Wir haben bereits in unserer Stellungnahme #MoldovaNotSafe darauf hingewiesen, dass es schwerwiegende Gründe gibt, die dagegen sprechen, Moldau zum „Sicheren Herkunftsstaat“ zu erklären, und dass dies ein weiteres Beispiel für Symbolpolitik auf dem Rücken geflüchteter Roma sein wird. Übrigens hat Belgien vor wenigen Wochen beschlossen, Georgien von der Liste der „Sicheren Herkunftsstaaten“ zu streichen. In Deutschland hingegen hat die Einstufung als „Sicherer Herkunftsstaat“ traditionell nichts mit der Situation in den betroffenen Ländern zu tun. Ein „Sicherer Herkunftsstaat“ ist nach deutschen Maßstäben nicht ein Staat, der sicher ist für die Menschen, die dort leben, sondern ein „Sicherer Herkunftsstaat“ ist ein Staat, dessen Staatsangehörige als Asylsuchende in Deutschland unerwünscht sind, weil ihre Fluchtgründe delegitimiert werden. Das ist an dem politischen und medialen Diskurs zum aktuellen Vorhaben erkennbar, der die dringenden Warnungen nicht nur von Menschenrechtsorganisationen sondern auch etwa vom US-Außenministerium bezüglich der Menschenrechtslage in Moldau komplett ignoriert und sich nicht im Ansatz damit auseinandersetzt.
Das Konstrukt der „Sicheren Herkunftsstaaten“ wurde entwickelt als Teil des „Asylkompromisses“ von 1993, als die damalige Bundesregierung aus CDU/CSU zusammen mit der SPD das Asylrecht einschränkte. Als Reaktion auf die rassistischen Pogrome und Anschläge von Rostock-Lichtenhagen, Mölln, Solingen und anderen Orten, kam die deutsche Politik den Tätern und ihren Sympathisanten in der Bevölkerung entgegen – auf Kosten geflüchteter Menschen. Die ersten „Sicheren Herkunftsstaaten“, auf die sich die Parteien einigten, waren Bulgarien und Rumänien – Länder, aus denen damals viele Roma vor den katastrophalen Bedingungen und vor Pogromen in der „Nachwendezeit“ flohen. 2014/15 wurden die Westbalkanstaaten zu „Sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt, begleitet von stigmatisierenden und stereotypisierenden Diskursen über flüchtende Roma. Das Konstrukt des „Sicheren Herkunftsstaates“ ist also sowohl in seiner Entstehung als auch in seiner Anwendung ein Mittel, um durch Ausgrenzung und Stigmatisierung bestimmter Gruppen von Geflüchteten – meistens Roma – rassistischen Stimmungen in der Bevölkerung entgegenzukommen in dem Irrglauben, diese besänftigen zu können.
Auch deshalb hatte die Unabhängige Kommission Antziganismus die Rücknahme der Einstufung von Serbien, Nordmazedonien, Bosnien-Herzegowina, Albanien, Montenegro und des Kosovo als „Sichere Herkunftsstaaten“ gefordert. Anstatt das zu machen, will die Bundesregierung nun ein weiteres Land, aus dem überwiegend Roma fliehen, zum „Sicheren Herkunftsstaat“ erklären. Angesichts der bisher selektiven Umsetzung der Empfehlungen der UKA muss sich die Bundesregierung vorwerfen lassen, vor allem die Empfehlungen umzusetzen, die in erster Linie symbolischer Art sind, und bei Themen, die politisch kontrovers sind – die aber einen direkten Einfluss auf das Leben von Roma haben würden – die Empfehlungen zu ignorieren.
Wir bitten alle, die unsere Bedenken teilen, in den nächsten Tagen und Wochen ihre Landtags- und Bundestagsabgeordnete der jeweiligen Regierungsfraktionen anzuschreiben und sie aufzufordern, sich mit der realen Situation in diesen Ländern zu befassen und sich dazu zu positionieren.
#MoldauNichtSicher
#MoldauNotSafe