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Roma Heroes: Der portugiesische Fußballer Ricardo Quaresma

Roma Heroes: Der portugiesische Fußballer Ricardo Quaresma

Eine Recherche zum Thema Roma im Fußball ist nicht gerade leicht. Nicht nur deshalb, weil ein Großteil der Suchergebnisse zu dieser Wortkombination sich auf den berühmten Verein aus der italienischen Hauptstadt bezieht, sondern auch deshalb, weil sich im Netz zwar viele Behauptungen finden, bestimmte Spieler seien Roma – darunter Weltstars wie der Schwede Zlatan Ibrahimovic, der Rumäne Gheorge Hagi, der Franzose Eric Cantona, der Italiener Andrea Pirlo oder der Bulgare Hristo Stoitchkov – aber nur wenige oder gar keine verlässliche Quellen, die sich auf direkte Aussagen der Personen selbst stützen. Einige Roma, die in der Öffentlichkeit stehen, entscheiden sich dagegen, sich öffentlich zu ihrer Herkunft zu bekennen, weil sie genau wissen, dass rassistische Anfeindungen darauf folgen werden.

Ein bekannter Fußballer, der sich nicht nur öffentlich dazu bekennt, Rom zu sein, sondern sich auch aktiv gegen Diskriminierung positioniert und engagiert, und auch offen über seine eigene Diskriminierungserfahrung spricht, ist der Portugiese Ricardo Quaresma. Der 1983 in Lissabon geborene Offensivspieler begann seine Karriere in der Jugend von Sporting Lissabon und spielte bei zahlreichen namhaften Vereinen – Inter Mailand, Barcelona, Chelsea, Beşiktaş Istanbul und Porto. Als Portugal 2016 Europameister wurde und damit seinen einzigen internationalen Titel gewann, kam Quaresma in allen sieben Turnierspielen zum Einsatz und erzielte im Achtelfinale gegen Kroatien sowie im Viertelfinale gegen Polen jeweils das entscheidende Tor, um die Spiele für Portugal zu gewinnen.

„Kann ein Fußball-Star 500 Jahre Rassismus beseitigen?“, fragte eine portugiesische Zeitung angesichts der Beliebtheit von Quaresma nach dem EM-Triumph – das konnte er natürlich nicht, denn wie viele von Rassismus betroffene Sportler*innen musste auch Quaresma erleben, wie diejenigen, die ihn bei Erfolgen als „einen von uns“ feiern, schnell in bekannte Denkmuster zurückfallen, wenn es mal nicht so läuft. Ein emotionaler Ausbruch, eine rote Karte, eine lautstarker Streit mit dem Trainer – alles keine Seltenheiten in der Welt des Fußballs, aber im Falle von Quaresma wurde bei solchen Vorkommnisse allzu oft eine Verbindung zu seiner ethnische Zugehörigkeit suggeriert. Der Spieler kritisierte, wie offenbar mit zweierlei Maß gemessen wurde und Teile der Öffentlichkeit und Medien scheinbar gerade darauf lauerten, ihre Vorurteile bestätigt zu sehen und ihn als undisziplinierte und schwierige Person darzustellen. Die Schweizer Zeitung „Blick“ bezeichneten ihn als „hochbegabten Rüpel“ und spekulierte vollkommen wild darauf los, dass eine seiner Tätowierungen eine Nähe zur organisierten Kriminalität signalisieren könnte.

„Ich habe nie geraucht, nie getrunken, nie mit Drogen experimentiert und ich wollte all das auch niemals tun“, sagte Quaresma einmal in einem Fernseh-Interview. „Aber, ta-taa, nur weil ich Roma bin, habe ich im Fußball eine zweifelhafte Reputation.“

Auch die Hoffnung, ein Rom als erfolgreicher Nationalspieler würde allgemein zu weniger Rassismus gegen Roma in Portugal führen, erfüllte sich nicht. „Das ganze Land gibt Ricardo stehende Ovationen und singt seinen Namen, und eine Minute später drehen sich die gleichen Leute um und bezeichnen uns alle als Kriminelle, wenn einer von uns etwas verbrochen hat“, sagte Vitor Marques, Vizepräsident der Portugiesischen Roma-Union, in einem Gespräch mit der BBC. Er merkte die Ironie an, dass die Zuschreibung der Verantwortung für die Taten einzelner an die ganze Community scheinbar nur bei negativen Vorkommnissen funktioniere und nicht bei positiven wie die sportlichen Erfolge Ricardo Quaresmas.

Doch Ricardo Queresma nutzt seine Bekanntheit, um abseits des Fußballplatzes gegen Rassismus und für Gleichberechtigung zu kämpfen. Als der Vorsitzende der rassistischen Partei „Chega“ während der Corona-Pandemie zusätzliche verschärfte Maßnahmen gegen Roma forderte, weil diese angeblich „Probleme haben, sich an Regeln zu halten“, meldete sich Quaresma öffentlich zu Wort und kritisierte den „populistischen Rassismus“, von dem „die Geschichte bereits bewiesen hat, dass sie die Menschheit ins Verderben stürzt“. In einem Facebook-Beitrag erklärte er weiter: „Ich habe mich in vielen Kampagnen gegen Rassismus engagiert, nicht weil es gut aussieht, sondern weil ich glaube, dass wir alle gleich sind und die gleichen Chancen im Leben verdient haben.“

In diesem Sinne setzt er sich auch für die Verbesserung der Chancen der portugiesischen Roma ein, beispielsweise in dem er das erste Frauenfußballteam aus der portugiesischen Roma-Community förderte.

Zum Ende der Saison 2021/22 beendete Ricardo Quaresma seine aktive Karriere, doch er ist nicht von der Bildfläche verschwunden, im Gegenteil: Mit der gleichen Energie und Leidenschaft, die ihm seine Erfolge auf dem Fußballplatz einbrachten, setzt er sich gegen Rassismus und für Empowerment von Roma ein. Er weiß selbst, dass noch viel zu tun ist: „Wenn ich Leute höre, die sagen, es würde heutzutage keinen Rassismus mehr geben, dann muss ich lachen. Jedes Mal, wenn in Portugal irgendwas passiert, kriegen die Roma, die schwarzen Menschen und die Migranten die Schuld. Es ist schwer, damit zu leben“, sagte Quaresma einst – und tut was er kann, so dass eines Tage niemand mehr damit leben muss.

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