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Der Völkermord an den Roma und Sinti

74705Die nationalsozialistische Ideologie erklärte nicht nur Juden und Slawen, sondern auch Roma und Sinti zu Untermenschen. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden pseudowissenschaftlicher Erb- und Rassentheorien, die Juden und zunehmend auch Roma und Sinti stigmatisierten. Zur Zeit der Weimarer Republik wurde die Diskriminierung von Roma und Sinti verstärkt. So wurde 1926 das „Gesetz zur Bekämpfung von Zigeunern, Landfahrern und Arbeitsscheuen“ in Bayern erlassen.

Bundesarchiv_R_165_Bild-244-52,_Asperg,_Deportation_von_Sinti_und_RomaIn Bremen wurde 1933 das ‚Zigeunergesetz‘ erlassen. Das „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung vor Belästigung durch Zigeuner, Landfahrer und Arbeitsscheue“ lehnte sich an das bayrische Gesetz von 1926 an und verwies auf den Fortbestand der „Zigeuner-“Politik. Die Nürnberger Gesetze (1935) richteten sich zunächst nur gegen Juden und wurden durch nachträgliche Anweisungen auf „Zigeuner“ ausgeweitet. Das „Blutschutzgesetz“ von 1935 verbot Ehen, aus denen „eine die Reinhaltung des Blutes gefährdende Nachkommenschaft zu erwarten“ sei. Das Gesetz bezog auch die Gruppe der Roma und Sinti mit ein.

Bereits 1936 wurden etwa 600 Roma und Sinti in Berlin-Marzahn ins Gefängnis gesteckt. Ihnen wurde ein Lagerplatz zugewiesen, den sie nicht mehr verlassen durften. Die Betroffenen wurden 1943 nach Auschwitz-Birkenau deportiert und fast alle ermordet. Ähnliche Lagerplätze gab es auch in anderen Städten, die als Sammelstationen für die weitere Deportation fungierten. So wurde 1940 das „Z“-Lager in Lackenbach (Österreich) errichtet. Die ca. 2500 inhaftierten Roma wurden kurze Zeit später nach Polen deportiert. Am 27.4.1940 ordnete der Reichsführer der SS die Deportation von 2500 „Z“ aus Süd-, West- und Norddeutschland in das „Generalgouvernement“ an. Die Betroffenen wurden in Ghettos in Lodz, Radom und Warschau oder in Konzentrationslager eingewiesen.
Durch Himmlers Auschwitzerlass vom 16.12.1942 spitzte sich die Lage zu. Dieser wurde am 29.1.1943 an alle Polizeistellen des Reiches weitergeleitet mit der Überschrift: „Einweisung von Zigeunermischlingen, Rom-Zigeunern und balkanischen Zigeunern in ein Konzentrationslager“. Daraufhin sollten alle noch im Reichsgebiet lebenden Roma und Sinti (ca. 10000) nach Auschwitz deportiert werden. Bereits am 26.2.1943 erreichte der erste Transport Auschwitz. Einige Roma und Sinti wurden auch vorher schon nach Auschwitz deportiert. Aus dem Deutschen Reich und den von den Deutschen besetzten Gebieten, wie der Tschechoslowakei, Polen, Österreich etc. kamen zwischen 1943 und 1944 monatlich neue Transporte in Auschwitz an.

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Bis 1944 wurden in den Familienbaracken in Auschwitz 366 Kinder zur Welt gebracht. Die Überlebenschancen waren katastrophal. So starben ein Fünftel der Neugeborenen in der ersten Lebenswoche und die Hälfte der Kinder nach einem Monat. Lediglich sechs Kinder erreichten das erste Lebensjahr. Das älteste Kind wurde 401 Tage alt.Im August 1944 wurden alle KZ-Häftlinge, die sich noch im Familienlager in Auschwitz-Birkenau aufhielten, ermordet. Zuvor waren einige Häftlinge in andere Lager deportiert worden. So wurden am 9.11.1943 mehrere hundert junge, gesunde Roma und Sinti in das KZ Natzweiler-Struthof in den Vogesen gebracht. Dort wurden sie Opfer grausamer Menschenversuche. Am 15.4.1944 gelangten 884 Roma und Sinti nach Buchenwald und 473 Romni nach Ravensbrück. Noch am 2. August 1944 gab es einen weiteren Transport nach Buchenwald. Im Oktober 1944 wurden dann circa 1000 Roma und Sinti nach Auschwitz zurückgebracht. Am 27.1.1945 wurde Auschwitz von sowjetischen Streitkräften befreit. Für den 13.1.1945 sind vier Roma-Häftlinge überliefert. Insgesamt starben in Auschwitz mehr als 21000 Roma und Sinti. Auch in anderen Vernichtungslagern, wie z.B. Kulmhof/Chelmno starben Roma und Sinti. Kulmhof diente unter anderem der Ermordung der Menschen des Ghettos von Lodz. So starben 1942 circa 4000 Roma und Sinti in Kulmhof.

Massenmord auf dem Balkan

jugoslawienInfolge der Eroberung des Königreichs Jugoslawiens wurde Serbien unter deutsche Verwaltung gestellt. Für das „Militärgebiet Südost“ wurde 1941 befohlen: „Z“ seien wie Juden zu behandeln. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion am 22.6. 1941 verschärfte sich die Situation, sodass die Verhaftung aller Juden und „Z“ angeordnet wurde. An der Umsetzung der „Zigeunerbekämpfung“ auf dem Balkan waren deutsche Soldaten und Offiziere der Wehrmacht direkt beteiligt. So starben bei den Massenerschießungen bei Pancevo (Serbien) am 9. und 27.10.1941 jeweils mehr als 2000 Opfer (Roma und Juden). Diese Exekutionen wurden von der Deutschen Wehrmacht durchgeführt. Der SS-Obergruppenführer Harald Turner verkündete am 29.8.1942, Serbien sei „das einzige Land, indem bereits jetzt die Juden- und Zigeunerfrage endgültig gelöst sei“.
1941 fiel die Deutsche Wehrmacht über Jugoslawien her. Der Krieg begann am 6.April 1941 mit dem umstrittenen Luftangriff auf Belgrad. Dabei starben rund 17000 Zivilisten, auch das „Romaviertel“ im Belgrader Stadtbezirk Zemun, wurde getroffen. Deutsche teilten das „Königreich Jugoslawien“ auf. Ungarn, Italien und Bulgarien erhielten als Verbündete Anteile. Kroatien wurde am 10. April 1941 zum formal abhängigen Satrapenstaat; Ante Pavelić, Begründer der Ustascha-Bewegung und Andrija Arturiković, Hauptbefehlshaber der Ustascha-Truppen, verfolgten Juden, Roma und nichtkatholische Serben. Viele menschenrechtsverachtende Gewalttaten, die in den neunziger Jahren beim endgültigen Zerfall des Titostaates verübt wurden, können als „Spätfolgen“ dieser Ereignisse betrachtet werden.

Bodies of prisoners killed upon arrival to Jasenovac Von der Ustascha-Regierung wurde das KZ Jasenovac errichtet. Dieses lag am Zusammenfluss von Una und Save. Das Dorfgelände von Ustice diente als „Z“-lager“. Tausende von Roma wurden hier ermordet. Kleinere KZ gab es in Stara Gradiska, Jadovno bei Gospic und Metajna auf der Mittelmeerinsel Pag. In Agram (Zagreb) gab es immer wieder Massenerschießungen. Schätzungen gehen von bis zu 90000 ermordeten Roma durch das Ustascha-Regime aus.

 

Literatur:
Bastian, Till 2001: Sinti und Roma im Dritten Reich. München: Verlag C.H.Beck oHG.
KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Hg) 2012: Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland. Die Verfolgung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus. Bremen: Edition Temmen.
Pisarri, Milovan 2014: The Suffering of the Roma in Serbia during the Holocaust. Belgrad: KIZ Centar
Zimmermann, Michael 1989: Verfolgt, vertrieben, vernichtet. Die nationalsozialistische Vernichtungspolitik gegen Sinti und Roma. Essen: Klartextverlagsgesellschaft.

 

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