Home » Artikel » Offener Brief an UN: Roma-Organisationen fordern Gerechtigkeit für bleivergiftete Roma im Kosovo

Offener Brief an UN: Roma-Organisationen fordern Gerechtigkeit für bleivergiftete Roma im Kosovo

Offener Brief an UN: Roma-Organisationen fordern Gerechtigkeit für bleivergiftete Roma im Kosovo

April 2024. Das Roma Center und der Bundes Roma Verband haben zusammen mit weiteren Roma-Organisationen, der Gesellschaft für bedrohte Völker und internationalen Menschenrechts-Anwältin:innen einen offenen Brief an UN-Generalsekretär Guterres geschrieben. Darin fordern sie Entschädigung für die Roma, die 1999 in den bleiverseuchten Lagern der UN im Kosovo vergiftet worden waren und ihre Angehörigen verloren haben.


Nach dem Kosovokrieg 1999 wurden die Roma aus dem Kosovo systematisch vertrieben. Viele flohen in die angrenzenden Gebiete. Wer konnte, floh in den Westen. Ein kleiner Teil der vertriebenen Roma wurde in Lagern untergebracht, die die Übergangsverwaltung der UN im Kosovo (UNMIK) in Nord-Mitrovica einrichtete. Diese Lager befanden sich in direkter Nähe zu einer Bleischmelzanlage, die seit den 1970er Jahren die Gegend vergiftete. Die Erde, das Wasser und die Luft waren hochgradig mit Schwermetallen belastet. Schnell entwickelten viele Bewohner:innen der Lager, insbesondere die Kinder, Symptome einer Bleivergiftung. Es kam zu Fehlgeburten, Kinder wurden mit Hirnschäden geboren, Menschen starben.

Bereits im Jahr 2000 hat ein Arzt hohe Menschen an Blei im Blut von Bewohner:innen festgestellt und die sofortige Evakuierung empfohlen. Ein deutscher Arzt hat die seines Wissens nach höchste Konzentrationen von Blei in den Haaren der Bewohner:innen gefunden, die jemals gemessen wurden. Dennoch wurden die Lager erst zwischen 2010 und 2013 aufgelöst. Die meisten ehemaligen Bewohner:innen leben bis heute in desaströsen Zuständen und mit ruinierter Gesundheit im Kosovo, manche in anderen Ländern.

Roma-Organisationen und andere Menschenrechtler:innen haben viele Jahre darum gekämpft, dass die Menschen Hilfe bekommen, umgesiedelt werden, Entschädigung bekommen. Die amerikanische Menschenrechts-Anwältin Dianne Post vertritt seit 2005 knapp 200 der geschädigten Roma und hat in ihrem Auftrag geklagt. Nach elf Jahren unermüdlichen Einsatzes hat sie zumindest einen juristischen Erfolg erzielt: Das Human Rights Advisory Panel (HRAP) hat die UNMIK in 2016 tatsächlich für Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Bleivergiftungen verantwortlich gemacht.

HRAP forderte die UNMIK auf, sich bei den Opfern der Bleivergiftungen zu entschuldigen und sie für den erlittenen Schaden zu entschädigen. Es wurde zwar ein Treuhandfonds eingerichtet. Er verfügt jedoch über so gut wie keine Mittel (die Mitgliedsstaaten müssten Mittel einzahlen, was sie nicht tun). Das bedeutet, die Geschädigten haben bis heute keine Entschädigung oder auch nur medizinische Hilfe bekommen. Das Konzept des Treuhandfonds sollte die Geschädigten sowieso nicht individuell entschädigen (wie das normalerweise bei solchen Prozessen der Fäll wäre), sondern es sollten daraus Projekte für die Roma-Community finanziert werden.

Der damalige UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und Giftstoffe, Baskut Tuncak, bezeichnete den Treuhandfonds als einen “unwirksamen und grundlegend fehlerhaften” Mechanismus, der “weder Gerechtigkeit noch die notwendigen Elemente eines wirksamen Rechtsbehelfs für die Opfer” biete, und forderte die Vereinten Nationen auf, eine Konsultation der Gemeinschaft einzuleiten, um einen wirksamen Rechtsbehelf festzulegen.

Auch der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Garantien der Nichtwiederholung, Fabián Salvioli, kritisiert 2023 in seinem Bericht zu Serbien und Kosovo, dass die oben genannten Maßnahmen nicht ausreichen, „um eine wirksame Wiedergutmachung nach internationalem Recht zu gewährleisten“.

Mit dem nun an Generalsekretär Guterres und seine Sonderbeauftragte und UNMIK-Leiterin Ziadeh sowie die Mitgliedsstaaten der UN gerichteten offenen Brief fordern Roma-Organisationen, die GfbV und Dianne Post sie auf, sich endlich für Gerechtigkeit für die vergifteten Roma im Kosovo einzusetzen.

Der offene Brief:

Lies mehr über die Geschichte der Blei-Lager im Kosovo und der Menschen, die dort vergiftet wurden: https://ran.eu.com/sterben-gelassen-die-geschichte-der-roma-in-den-bleiverseuchten-lagern-im-kosovo/

BulgarianCroatianEnglishFrenchGermanItalianPortugueseRussianSerbianSpanishTurkish