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„Ich bin die meiste Zeit meines Lebens gefahren, aber dieses Jahr ist das schlimmste, was Rassismus betrifft“

„Ich bin die meiste Zeit meines Lebens gefahren, aber dieses Jahr ist das schlimmste, was Rassismus betrifft“

Exklusives Interview mit Jolene Conners, einer jungen schwangeren Traveller-Mutter eines fünfjährigen Kindes. Sie war eines der Opfer eines Mobs aus 200 Leuten, die über ihre Wohnwagen herfielen und schrien: „Hitler hatte recht damit, sie alle in den Ofen zu stecken.“

„Ich bin die meiste Zeit meines Lebens gefahren, aber dieses Jahr ist das schlimmste, was Rassismus betrifft,“ sagt Jolene Connors, die den Angriff des Mobs auf ihre Wohnwagen, die auf einer Grünanlage in den West Midlands lagerten, am 20. August miterlebte.

„Wir hatten immer ‚Pikey‘*, ‚Dirty Gypsy‘, aber niemals habe ich gehört ‚Hitler hatte recht damit, alle in den Ofen zu stecken‘. Ich weiß, wie Menschen sein können, aber es hat mich doch sehr schockiert, dass dies vor Polizist_innen gesagt werden konnte,“ fügt sie hinzu.

* abwertender Ausdruck für Angehörige der Traveller (Anm. d. Übers.)

Die Travellers‘ Times und Report Racism GRT haben beobachtet, wie sich der Mob auf Facebook organisierte. Beide Organisationen sind schockiert, Bilder brennender Wohnwagen und jede Menge rassistischer Beschimpfungen von Leuten zu sehen, die geplant haben, dahinzugehen.

Etwa 200 sesshafte Anwohner_innen tauchten auf, und die Polizei bildete eine Absperrung zum Traveller-Camp, während die Anwohner_innen skandierten „weg, weg, weg“. Trotz der Bemühungen, den Mob fernzuhalten, sei es zwei Protestierenden gelungen, in das Camp zu gelangen und zwei Traveller-Männer anzugreifen, sagt Jolene Conners.

„Sie versuchten weiterhin, die Protestierenden zurückzuhalten, jedoch konnten zwei entkommen und zwei von unseren Männern schlagen. Sie schlugen zurück, und die Polizeihunde beendeten es. Es sollte eigentlich ein friedlicher Protest sein, aber davon war er weit entfernt,“ sagte sie.

Andere aus dem Mob riefen: „Eure Kinder sind zurückgeblieben und dumm,“ sagt Jolene Connors.

„Wir ließen die Kinder drinnen, damit sie nicht verletzt würden, aber sie bekamen es dennoch mit. Meine Tochter war die ganze Nacht krank, als wir aus der Gegend vertrieben wurden,“ sagte sie.

Der Vorfall ereignete sich gegen 18:30 Uhr, und die Familie schaffte es, den Platz um 22 Uhr zu verlassen, fand jedoch erst um 2 Uhr morgens einen sicheren Platz zum siedeln.

Die Polizei löste die Versammlung auf, Jolene und ihre Familie bemerkten jedoch, dass sich Protestierende weiterhin auf nahegelegenen Straßen aufhielten, die gesperrt worden waren, um die Lage in den Griff zu bekommen.

„Wir mussten an die Kinder denken. Wir wussten nicht, ob jemand mitten in der Nacht zurückkommen und Benzinbomben werfen würde – was schonmal passiert ist. Die Polizei wusste vorher Bescheid, jedoch informierte sie uns erst eine Stunde, bevor es passierte.“

„Eine Sache, die ich sagen möchte: Statt sich Gedanken über uns Traveller zu machen, sollte man sich lieber den Rest der Gesellschaft ansehen,“ sagt Jolene Connors.

„Es gibt Gutes und Schlechtes in jeder Gesellschaft, und wir sollten nicht alle über einen Kamm geschert werden.“

Sie fügte hinzu: „Warum ist es rassistisch, andere ethnische Gruppierungen so zu behandeln, aber es ist immer noch in Ordnung, Schilder vor Geschäften, Pubs und Restaurants aufzustellen, auf denen steht, dass Gypsys und Traveller nicht eintreten dürfen?“

Die Travellers‘ Times beschloss, andere junge Gypsys oder Traveller zu kontaktieren, um ihre Meinung zu dem Vorfall in Weston zu erfahren:

Johnson Welch (23) aus Darlington sagte Travellers‘ Times:

Ich finde es beängstigend, dass eine Gruppe aus 200 Leuten einfach über unschuldige Familien herfallen kann. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass kleine Kinder in diesen Wohnwagen gewesen sind, und es wäre sehr verstörend für die Familien gewesen. Die Tatsache, dass sowas ungestraft passieren kann, ist abstoßend, da es zeigt, dass dieses Maß an Rassismus immer noch geduldet wird. Ich dachte, die Tage wütender Dorfbewohner, die sich mit ihren Heugabeln zusammenrotten, seien vorbei.“

Er fügte hinzu: „Die Art wie die Medien über solche Ereignisse berichten, macht einen wütend, und ihre Meinung ist immer einseitig und voreingenommen. Als junger Mensch mit Roma-Hintergrund im 21. Jahrhundert empfinde ich es so, dass Rassismus gegenüber Gypsys und Traveller weitgehend toleriert wird, und ich habe es satt, um ehrlich zu sein.“

Nachdem sie ein Video der Anti-Traveller-Proteste in Weston gesehen hatte, erzählte Besty Mobey (23), eine Praktikantin bei Friends Families and Travellers, Travellers‘ Times:

„Sieh dir an, wie widerlich und gemein Menschen gegenüber anderen sein können, die entschieden haben, einen anderen Lebensstil zu führen. Das ist der Punkt, an dem mich die Gesellschaft verwirrt. Es ist das 21. Jahrhundert und immer noch werden Menschen ausgeschlossen und beurteilt, weil sie anders sind. Das ist feige und engstirnig. Wir wurden über Jahrhunderte verfolgt; unser Fell wird dicker, wenn es nicht sollte.“

Diesen Artikel zu recherchieren und zu schreiben, hat mich schockiert, sagt Lisa Smith von TT.

Jolene Connors sagt, es sei das schlimmste Jahr an Rassismus gewesen, das sie unterwegs je erlebt habe. Was hat zu dieser offenkundigen Zunahme an Hass-Angriffen gegen Gypsys und Traveller in diesem Sommer geführt?

Sind es die einzigartigen Restriktionen gegenüber dem Lebensstil der Gypsys und Traveller, die zu einer diskriminierenden und mangelhaften Flächennutzung geführt haben (von Familien wird gefordert, zu belegen, dass sie reisen, um weiterhin auf ihren Siedlungsplätzen leben zu können und sich neue zu schaffen)?

Oder ist es die entmenschlichende Sprache, die Politiker wie Douglas Ross oder Steve McCabe* öffentlich zur Schau stellen? Oder ist es die moralische Empörung, welche die Presse mit einer militärischen Ausdrucksweise wie „Invasionen“ und „Schwärme“ für Gypsy- und Traveller-Camps erzeugt?

* die beiden Parlamentsmitglieder haben sich negativ zu Traveller geäußert (Anm. d. Übers.)

Wie dem auch sei, Gypsys und Traveller haben landesweit unter der gestiegenen Gewalt und Schikane gegen die ältesten indigenen Minderheiten Großbritanniens zu leiden.

Übersetzung des Artikels von Lisa Smith für Travellers‘ Times, 19. September 2017.

 

 

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