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„Die Gadje müssen verstehen. Die Roma wissen ja wie es ist.“ Interview mit Gipsy Mafia

„Die Gadje müssen verstehen. Die Roma wissen ja wie es ist.“ Interview mit Gipsy Mafia

Liebe Gipsy Mafia,für diejenigen, die euch nicht kennen: Wollt ihr uns zunächst ein bisschen was über euch erzählen? Wer seid ihr? Was macht ihr? Was bewegt euch gerade?

Also wir heißen Ferid Ajeti a.k.a Skill, Emrah Ajeti a.k.a Buddy O.G. (Original Gipsy) und Kostana Ajeti a.k.a Dj Koki. Wir sind 2 Brüder, die in Serbien geboren wurden, aber in Deutschland aufgewachsen sind. Koki ist im Kosovo geboren und dann 1999 nach Serbien geflüchtet. Koki ist die Frau von Skill.

Wir sind Hip Hop vom ganzen Herzen. Wie leben und lieben Hip Hop und das versuchen wir in unserer Musik zu vermitteln. Und was noch wichtiger ist: Wir sind alle Anarchisten. Wir kämpfen gegen Rassismus, Kapitalismus und Diskriminierung.

Im Moment bewegt uns das, was uns schon fast unser ganzes Leben bewegt und zwar ist das der Rassismus gegenüber Roma. Wir könnten jetzt zwei ganze Bücher mit Beispielen aufschreiben. Aber nur das Aussprechen hilft nichts, wenn wir nicht wenigstens versuchen, etwas daran zu ändern

Wie seid ihr dazu gekommen, Musik zu machen? Was bedeutet für euch Hip Hop?

Gipsy Mafia gibt es schon seit 2006. Gegründet haben wir unsere Crew in Serbien, mit der Hoffnung, der Welt die Ungerechtigkeit gegenüber Roma zu zeigen, aber auch den Kampf der Roma zu verbreiten. Es war nie das Ziel, und ist es heute auch nicht, dass wir mal berühmt werden und Fame erlangen. Wenn das der Fall wäre, wüssten wir genau, welche Fake-Musik wir machen müssten, um berühmt zu werden.

Unserer Meinung nach machen wir Hip Hop wie er sein sollte. Wir sind KEINE RAPPER, wir sind MCs mit Leib und Seele. Wir rappen nur das, was wir gesehen oder erlebt haben, nicht das, was uns jemand erzählt hat. Wir würden auch nie etwas in unseren Texten sagen, was wir gar nicht sind.

Eure Texte schreibt ihr auf Serbisch und Deutsch. Worum geht es in euren Texten und welche Bedeutung hat die jeweilige Sprache dabei?

Für uns war sofort klar, dass wir auf Serbisch rappen müssen und nicht auf Romanes, wofür wir am Anfang kritisiert wurden, und heute auch noch manchmal. Aber wir machen Musik über Hip Hop und über die Probleme der Roma. Es würde uns nichts nutzen, auf Romanes zu rappen, wenn die Gadje uns nicht verstehen würden. Denn unsere Musik ist stark an sie gerichtet. Sie müssen erfahren, wie es für uns ist, schlecht behandelt zu werden. Sie müssen verstehen, wie es für uns ist, Menschen dritter Klasse zu sein, und wie es für uns ist, verfolgt und ermordet zu werden nur wegen einer Hautfarbe. Wenn wir den Roma diese Sachen erzählen würden, würde das nicht viel ändern, denn sie wissen ja wie das ist. Sie sind ja die Betroffenen.

Auf Deutsch haben wir eigentlich angefangen zu rappen, weil wir in Deutschland sehr viel auftreten, und wir fanden es immer schade, dass die Leute nichts verstanden haben, denn die Message ist ja das wichtigste im Rap. Das war auch der Grund, warum wir das Album Gipsyzm gemacht haben, das komplett auf Deutsch ist.

Einer eurer Songs heißt Sicheres Herkunftsland. Was hat es damit auf sich?

Die Welt muss verstehen, dass es für Roma KEIN SICHERES HERKUNFTSLAND gibt. Der Scheiß passiert auf der ganzen Welt, nur ist das Problem mit den „sicheren Herkunftsländern“, dass dort nicht nur die Gefahr durch Rechte besteht, sondern dort ist es ganz normal, dass man Roma auslacht und sie diskriminiert. Selbst die Roma haben sich schon daran gewöhnt und versuchen erst gar nicht, etwas dagegen zu tun. Dazu kommen dann noch die Bullen. Die sind Nummer eins, weshalb sich die Roma nicht aus ihrer Mahala trauen.

Ihr seid hier aufgewachsen und dann als Jugendliche nach Serbien abgeschoben worden. Wie war das für euch?

Ehrlich gesagt haben wir uns darüber gefreut, weil wir dachten, wir gehen jetzt endlich nach Hause. Nicht dass es uns in Deutschland schlecht ging, aber 13 Jahre lang in Gettos leben und dann mehrere Nazi-Angriffe, unter anderem mit Molotow Cocktails, haben uns dann schon etwas geprägt. Doch ist dieser Wunsch nach Heimat schnell vergangen. Schon an der Grenze. Wir wurden von den Bullen dumm angemacht, weil wir nicht während des Krieges in Serbien waren, um unser Land zu beschützen. Dann ging es damit weiter, dass man es uns schwer gemacht hat, uns überhaupt in Serbien anzumelden und damit einen Ausweis zu bekommen. Man hat uns Monate lang hingehalten, und währenddessen wurden wir selbstverständlich die ganze Zeit von den Bullen kontrolliert und mussten mehrere Bußgelder bezahlen.

Wie ist die Lage für Roma in Serbien? Welche Erfahrungen habt ihr da gemacht?

Leider ist der Rassismus in Serbien Alltag geworden. Es ist halt ganz normal, dass man Roma auf offener Straße beleidigen und erniedrigen kann. Es gehört einfach dazu, und niemand sagt was. Und das ist nicht nur auf der Straße so. Man kommt immer als letzter, oder auch gar nicht dran bei Ärzten, Ämtern usw. Schon bei der Einschulung sagt man den Eltern, dass sie ihr Kind lieber in einer Sonderschule einschulen sollen, weil es ja eh keine Perspektive hat, und die meisten Eltern stimmen dem dann leider auch noch zu oder gehen direkt mit ihrem Kind zur Sonderschule.

Gibt es in Serbien Probleme mit Rechtsextremismus und gibt es Angriffe gegen Roma?

Angriffe auf Roma durch Rechte gibt es leider sehr sehr oft, leider wird es immer von den Medien verschwiegen. Die Roma selber wehren sich auch nicht richtig dagegen, weil sie befürchten dass es danach nur noch schlimmer wird.

Kann man Musik nutzen, um gegen Diskriminierung zu kämpfen? Kann man damit Veränderungen bewirken?

Wir wissen nicht, ob wir die richtigen Rechten damit beeindrucken können, aber wir wissen, dass wir sehr viele Menschen angesprochen haben, die was gegen Roma hatten, weil sie Sachen über sie gehört haben, aber nie mit ihnen gesprochen haben. Wir führen diese Gespräche in unseren Texten, und sind dann froh zu hören, dass wir Meinungen geändert haben.

Was denkt ihr – sollten auch andere Roma-Musiker mehr politische Texte schreiben? Und was ist eure Message an andere Roma-Musiker?

Es muss ja nicht direkt politisch sein, es reicht ja, wenn sie wenigstens versuchen, das Leid der Roma zu beschreiben, und drauf hinzuweisen, dass wir immer noch existieren. Leider kommt sehr wenig von der Seite. Wenn du was zu sagen hast, sollte es dir trotzdem Freude bereiten und du solltest es nicht einfach machen, weil es cool ist. Es muss nicht unbedingt Musik sein. Das gleiche können auch Schauspieler, Sportler, Journalisten usw. usw.

 

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