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Neuer Angriff auf Roma in der Belgrader Siedlung Vidikovac

Neuer Angriff auf Roma in der Belgrader Siedlung Vidikovac

21.10.2017

In der Belgrader Siedlung Vidikovac kam es zum vierten Angriff auf Roma-Familien, die dort seit 2009 wohnen. Dabei wurden die Baracken der Bewohner und Bewohnerinnen mit Äxten und Baseballschlägern von einer Gruppe Angreifer demoliert.

Vesna Sandić wurde Zeugin, wie eine Gruppe von etwa 15 Menschen, angeführt von einem Bauinvestor, der schon einige Zeit versucht, die Bewohner und Bewohnerinnen zu vertreiben, gegen acht Uhr ihre Tür einschlug. Andere, so berichtet sie, zerstörten zur gleichen Zeit das Dach der Baracke.

„Ich war in der Küche, mein Ehemann war gerade im Bad als sie die Tür aufschlugen. Ich sagte, dass ich raus gehe, dass wir wegziehen werden, wenn sie eine richtige Lösung für uns haben. Aber einer zerrte an mir. Ich bat, meine Sachen nicht zu zerstören. Aber sie machten weiter.“ sagt Vesna Sandić.

Als sie schon alle aus der Baracke raus waren, rannte Vesna Sandić mit ihrem Ehemann zur nahegelegenen Polizeiwache. Dort wurde ihnen jedoch gesagt, dass der Vorfall bereits gemeldet wurde.

„Zwei Streifen waren schon da, als wir zurückkamen, sie waren wirklich schnell. Fünf wurden überführt, die anderen sind weggerannt. Wir haben dann unsere Aussage gemacht.“ so Sandić.

Die Baracke, die sie mit fünf kleinen Kindern und einer weiteren Familie mit vier Kindern bewohnen, wurde beschädigt, alle Sachen, die sie hatten, wurden zerstört.

Ein anderer Vorfall, der nach ähnlichem Muster verlief, ereignete sich am 8. Juli diesen Jahres. Auch damals war die Polizei zur Stelle, die Bewohnerinnen und Bewohner machten Aussagen und die Menschenrechtsorganisation ‚Jednakost’ (Gleichheit) meldete weitere Straftaten, gegen die juristisch nicht vorgegangen wurde.

Nach dem letzten Angriff wurde die Solidaritätsaktion ‚Za krov nad glavom’ – für ein Dach über dem Kopf – organisiert. Engagierte Bürgerinnen und Bürger halfen dabei, die zerstörten Dächer wieder aufzubauen, so dass die Bewohner und Bewohnerinnen wieder in ihre Häuser konnten.

Weiteres aus den Videos:

Etwa zehn Meter entfernt von der Baracke, aus der die Familien Sandić und Radosavljević gewaltsam vertrieben wurden, hausen nun die 15 Mitglieder auf der Straße. Ein privater Investor habe Personen engagiert, um sie zu räumen. Der letzte Überfall ereignete sich um sieben Uhr morgens.

Vesna Sandić: „Während die Kinder schliefen, während wir alle schliefen, wurde das Dach abgerissen. Wir sind nach draußen, um zu sehen, wer es ist und verschlossen die Tür. Dann wurden Fenster und  die Tür eingeschlagen und sie gingen hinein. Sie zerrten an den Kindern und an uns und schoben uns raus. Alle Kinder fingen an zu schreien, so dass man nicht wusste, ob die Großen oder die Kleinen mehr schreien. Wegen des Stresses. Die waren nämlich wirklich so, dass sie uns wegstießen, und an der Türschwelle standen etwa zehn von denen.“

Svetlana Radosavljević: „Sie hielten mit so einem elektrischen Schlagstock, einem Elektroschocker, auf meinen Sohn, sie zerrten an seinem T-Shirt. Das war schon das zweite Mal. Ich kann jetzt nicht mehr schlafen, weder tags noch nachts, aus Angst wegen meiner Kinder. Ich fürchte mich um meinen Sohn, dass sie meinen Sohn umbringen, denn sie fielen über ihn her… Auf dieser Matratze schlafe ich hier draußen.“

Während Aktivistinnen und Aktivisten das Dach reparieren, hoffen die Bewohner und Bewohnerinnen, dass sich die Behörden des Problems annehmen.

Slavoljub Marinković: „Ich kann Ihnen sagen, dass dies ein Angriff auf das Leben und die Freiheit, ein Angriff auf die Bewegungsfreiheit war. In jedem Fall hoffen wir, dass solch ein Terror verurteilt wird, und dass so etwas nicht mehr erlaubt ist hier, denn so etwas darf nicht erlaubt sein.“

Die NGO ‚Jednakost’ hat Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt.

Jovana Vuković (Jednakost): „Dies war ein beispiellos dreister Überfall von Leuten, die das Recht in die eigene Hand nehmen.“ Sie vergleicht den Vorfall mit anderen ähnlichen Angriffen, über die kaum berichtet wurde. (Anm.: In Savamala werden wegen des Bauvorhabens Belgrade Waterfront bewohnte Häuser abgerissen.) Zusätzlich handele es sich hier um Roma-Familien, so dass hier keinerlei mediales Interesse besteht, so Vuković. Jednakost Stellungnahme weiterhin: Hätte die Firma tatsächlich Anspruch auf das Objekt, hätte man es auf legalem Weg räumen lassen können, nicht aber mit einer Gruppe Hooligans.

Vesna Sandić: „Ständig bin ich im unter Schock. Gerade wenn ich mich davon erholt habe,  so nach zwei drei Monaten, kommt der nächste Schlag. Seit März kämpfen wir mit ihm. Das ist das vierte Mal, dass sie da waren. Gerade kommen wir an, werden wir wieder vertrieben, ziehen wieder ein… Ich weiß mittlerweile wirklich nicht mehr, was ich sagen soll. Ich und die Kinder, mein Mann, mein Bruder, meine Schwägerin, wir alle sind unter Schock.“

Miša Radosavljević: „Es ist nicht menschlich und nicht schön. Denn uns wird nichts geboten, keine andere Unterbringung, keine Sicherheit.“

Die Roma-Familien bewohnen seit 2009 das verlassene Gebäude, dessen Eigentümer zuvor Konkurs ging.  Die Anwohner sagen, dass die Roma gute Nachbarn sind und niemanden stören.

Branka Krndić (Anwohnerin): „Schlimm, furchtbar, hier leben neun kleine Kinder, vier Erwachsene. Alle zwei bis drei Monate kommen sie noch vor Sonnenaufgang. Stellen Sie sich das vor, mit dem Regen, dem Schnee und den Stürmen. Und sie zerstören es.“

Die Europäische Kommission für Menschenrechte hatte bereits im April letzten Jahres erwirkt, dass die Familien so lange nicht geräumt werden dürfen, bis sich eine angemessene Alternative zum jetzigen Wohnraum findet. Der Klage wurde von serbischer Seite stattgegeben.

Verantwortliche meldeten sich bislang nicht zu Wort.

Quellen:
https://www.slobodnaevropa.org/a/28807893.htmlhttp://balkans.aljazeera.net/video/napad-na-rome-u-beogradu-smetaju-li-barake-investitorima
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