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Von Schnitzeln, Spießen und Saucen. Rassismus im Alltag.

 

Von Schnitzeln, Spießen und Saucen. Rassismus im Alltag.

Roma sind in Medien und Politik, auf institutioneller und struktureller Ebene von gravierenden Formen von Rassismus und Ausschluss betroffen. Viele Beispiele dafür haben wir bereits auf der Homepage des Roma Antidiscrimination Networks (RAN) gesammelt. Im Alltag tritt Rassismus auch in eher subtilen Formen auf – zum Beispiel im Supermarkt und auf Speisekarten.

Noch immer ist es verbreitet, bestimmte Gerichte mit dem Z-Wort zu bezeichnen, wie etwa Z-Schnitzel oder -Saucen. Während die meisten Verbände der Sinti und Roma, so auch wir als RAN und Bundes Roma Verband, diese Fremdbezeichnung ablehnen, ist es vor allem der digitale Stammtisch, der sein vermeintliches Recht auf Fremdbezeichnung stur verteidigt.

Anfang Mai strahlte die ARD eine Maischberger-Sendung unter dem Titel “Man wird ja wohl noch sagen dürfen!” Wie diskriminierend ist Sprache? aus. Zu Gast war u.a. ein ehemaliger Nachrichten-Moderator des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, der starrsinnig darauf beharrte, sein Z-Schnitzel weiterhin so nennen zu müssen, denn das Z-Wort sei nicht rassistisch. Punkt. Eine auch nur ansatzweise nachvollziehbare Begründung für diese Behauptung konnte er nicht liefern.

Diskriminierende Sprache zu verwenden und damit bestehende Ressentiments zu bestätigen und zu verfestigen, ist das Vorrecht der Mehrheit. So machen etwa Restaurants und Hersteller von Saucen davon weiterhin Gebrauch.

Auch manche Sinti und Roma benutzen das Z-Wort als Selbstbezeichnung unter sich. Das mag zunächst paradox erscheinen, kann aber durch das Aufladen mit positiven Eigenschaften oder durch humorvolle Aneignung einen empowernden Effekt haben.

Im April ist das RAN von einer Besucherin des Kramermarktes in Delmenhorst darauf hingewiesen worden, dass einer der dort vertretenen Imbissstände ein Gericht anbietet, das mit dem „Z-Wort“ bezeichnet wird. Auf unsere Nachfrage beim Standbetreiber hin, hat sich herausgestellt, dass dieser selbst Sinto und Nachfahre von Holocaust-Überlebenden ist. Daher findet er die Verwendung des Wortes seinerseits legitim. Was nun? Legitimiert diese Ansicht, da sie ja von einer Person vertreten wird, die selbst Ressentiments und negative Zuschreibungen erfährt, die Betitelung des Gerichts mit dem Z-Wort? So einfach ist es nicht.

Kritikwürdig wird die Verwendung nämlich dann, wenn eine Außenwirkung eintritt – und das ist hier der Fall. Nach außen hat das Wort, auch wenn es von einem Sinto verwendet wird, eine normalisierende Wirkung – und das eben nicht nur unter Sinti und Roma selbst, sondern auch unter der Mehrheitsbevölkerung. Gerade in der jetzigen Zeit, da rechte Gesinnung wieder salonfähig geworden ist und es als schick gilt, gegen die Etikette der Political Correctness zu verstoßen, gibt man diesen Personen Futter, mit dem sie ihre Haltung rechtfertigen können.

Am Z-Wort hängt weniger eine – wie von Verfechter_innen der Fremdbezeichnung in diesem Zusammenhang behauptete – kulinarische Geschichte, sondern vielmehr eine der Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung, eine der rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Stigmatisierung.

Das RAN und der Bundes Roma Verband, zu dem elf Selbst-Organisationen der Roma gehören, wenden sich aus all diesen Gründen explizit gegen die Verwendung des Wortes, und schreiben derzeit Restaurants mit der Aufforderung an, ihre entsprechenden Gerichte umzubenennen.

Mit dieser Haltung stehen wir keineswegs allein. Der Verein Forum für Sinti und Roma hat 2013 in Hannover die Abschaffung der Bezeichnung aus den Speiseplänen städtischer Kantinen erwirkt.

Auch wer den Fokus etwas erweitert, wird schnell fündig. Seit Jahrzehnten kämpfen Roma und Sinti weltweit gegen diese Fremdbezeichnung und die damit verbundene Abwertung ihrer Menschen. Auf dem 1. Welt-Roma-Kongress im Jahr 1971 wurde die offizielle Selbstbezeichnung als Roma beschlossen und die Fremdbezeichnung abgelehnt. Es tut niemandem weh, das Z-Wort zu ersetzen. Es zu verwenden schon.

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