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45 Jahre Bürgerrechtsarbeit deutscher Sinti und Roma. Ausstellung und Film in Göttingen

45 Jahre Bürgerrechtsarbeit deutscher Sinti und Roma. Ausstellung und Film in Göttingen

Am 19. August 2018 wurde in Göttingen die Sonderausstellung 45 Jahre Bürgerrechtsarbeit deutscher Sinti und Roma eröffnet und unser Film The Awakening gezeigt.

Durch die Ausstellung führte die langjährige Bürgerrechtlerin Ilona Lagrene. Die Tochter von Holocaust-Überlebenden berichtete, wie schwierig die Anfänge der Bürgerrechtsbewegung waren. Nach dem Krieg konnten viele Täter_innen ihre Karrieren fortsetzen – wie etwa bei der Kriminalpolizei. Dort waren sie während der NS-Zeit an der Verfolgung der Sinti und Roma beteiligt und nun erstellten sie Gutachten in Entschädigungsverfahren. Dass diese nicht zugunsten der Opfer ausfielen, liegt auf der Hand. Außerdem war es sicherlich ein wesentlicher Faktor, der dazu führte, dass die rassische Verfolgung lange völlig geleugnet wurde.

Es ist der Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma zu verdanken, dass der Völkermord an ihren Menschen heute zumindest anerkannt ist. Die ersten Versuche, eine Bürgerrechtsbewegung anzustoßen, lagen bereits in den 1950ern. Aufgrund der NS-Kontinuitäten und weiterer Stigmatisierung in der deutschen Nachkriegsgesellschaft hatten viele der Überlebenden jedoch Angst, wieder in den Fokus zu geraten.

Erst in den 1970ern, als sich das gesellschaftliche Klima verändert hatte, wagten Bürgerrechtler_innen erste öffentliche Aktionen. Nachdem der Heidelberger Sinto Anton Lehmann 1973 von der Polizei erschossen worden war, organisierte der Verband deutscher Sinti die erste Demonstration gegen Diskriminierung von Sinti und Roma. Sechs Jahre später fand die erste internationale Gedenkkundgebung für die im NS ermordeten Sinti und Roma statt. In Bergen-Belsen. In einem Memorandum an die Bundesregierung forderte eine Delegation von Sinti und Roma die offizielle Anerkennung des Völkermords.

Ein zentrales Ereignis der Bürgerrechtsbewegung war der Hungerstreik, den zwölf Sinti, darunter drei Überlebende, am Karfreitag des Jahres 1980 im ehemaligen Konzentrationslager Dachau begannen. Ziel war es, zu erfahren, was mit den Akten der ehemaligen „Landfahrerzentrale“ passiert war. In diesen Akten hatte die bayerische Kriminalpolizei noch bis in die 1970er hinein Namen, Fingerabdrücke und persönliche Daten von Sinti und Roma aus der BRD erfasst. Viele Medien berichteten – auch international. Der Streik löste Solidarität in der Bevölkerung aus, und die bayerische Regierung versicherte, die Akten seien vernichtet worden.

Die Bürgerrechtsbewegung suchte nun nach den „NS-Rasseakten“, die von der Kriminalpolizei und „Rasseforschern“ geheim gehalten und dadurch der Aufarbeitung der NS-Verfolgung entzogen wurden. Es wurde herausgefunden, dass die Akten auch nach dem Krieg weiter für „wissenschaftliche“ Forschungen benutzt wurden. Ein Teil des Bestandes bleibt bis heute verschwunden. Bezeichnenderweise handelt es sich dabei um die „Rassegutachten“, welche die Basis für die Verfolgung in der NS-Zeit gebildet hatten.

Fast vier Jahrzehnte nach dem Krieg, 1982, wurde der Völkermord an den Sinti und Roma schließlich offiziell anerkannt.

Jedoch gehören Diskriminierung und Verfolgung von Sinti und Roma nicht der Vergangenheit an, wie gerade das Jahr 2018 mit den Angriffen in der Ukraine und den Auslassungen Salvinis gezeigt hat.

Von den gegenwärtigen Diskriminierungen gegen Roma handelt unser Film The Awakening, den wir im Anschluss an die Führung gezeigt haben.

Die Ausstellung ist noch bis zum 26. Oktober in den Räumlichkeiten der Zwangsarbeiterausstellung zu sehen.

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