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Kundgebung vor dem ukrainischen Generalkonsulat in Frankfurt

Angesichts der gewalttätigen Ausschreitungen gegen Roma in der Ukraine, die selbst vor Mord nicht halt machen, hat der Förderverein Roma am 4. Juli vor dem ukrainischen Generalkonsulat eine Kundgebung abgehalten. Im Folgenden drucken wir die Rede des Vereins ab. Darin werden die anhaltenden Diskriminierungen und Verfolgungen von Roma in der Ukraine dargestellt und von der deutschen Bundesregierung Asyl für die bedrohten Menschen gefordert.

Kundgebung am 4.7.2018, Vilbeler Straße 29, ukrainisches Generalkonsulat

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ausgrenzung, Diskriminierung, Verelendung, Rassismus gegenüber Roma und Sinti sind uns aus der bundesrepublikanischen Realität bekannt – ebenso die Folgenlosigkeit von öffentlicher Verunglimpfung, wie zum Beispiel der aktuellen Forderung der AfD Sachsen nach einem Register, in dem Roma und Sinti aufgeführt werden.

Die Situation in Osteuropa ist für Roma nicht besser. Rassistische Gewalt in Ungarn, die Aufforderung der umfänglichen Erfassung von Roma in Italien, Pogrome in Odessa im letzten Jahr, Hassverbrechen in Bulgarien, die nicht geahndet werden, Misshandlungen durch die Polizei. Die Aufklärung der Zwangssterilisationen an Roma-Frauen in der Slowakei ist immer noch offen; von systematische Diskriminierung in Rumänien, von Vertreibung, exzessive Gewalt und Zwangsräumungen wird regelmäßig berichtet. Alle Informationen stammen von amnesty international.

Die letzten Tage erreichten uns entsetzliche und beschämende Nachrichten aus der Ukraine. Eine wochenlange Reihe von Anschlägen auf ukrainische Roma mündete vor wenigen Tagen in der Ermordung eines vierundzwanzig jährigen Bewohners eines Zeltlagers bei Lemberg (Westukraine). Die Täter, die neben dem Todesopfer auch weitere Personen, darunter Frauen und Kinder, mit Messern attackierten und schwer verletzten, waren zum Teil Minderjährige, die sich von der zunehmenden Verbreitung paramilitärischer Bürgerwehren anleiten lassen. Sie sind selbst Teil neofaschistischer Strukturen und ermutigen sich gegenseitig zu Pogromen gegen Roma. Die Täter agierten dabei mitunter ganz offen und inszenierten sich unmaskiert in selbstgefilmten Videos, die sie z. T. ins Internet stellten, um mit ihren Gewalttaten untereinander zu prahlen.

Die paramilitärisch agierenden Gruppen haben Verbindungen zur neu gegründeten extrem rechten Partei „Nationalkorps“, die 2019 erstmals zu den ukrainischen Parlamentswahlen antreten möchte. Ihr Anführer Andrej Bilezki, der während der bewaffneten Auseinandersetzungen im Donbass 2014 das offen rechtsextremistische Bataillon „Asow“ anführte, schwadronierte öffentlich im Kontext der jüngsten Übergriffe auf Roma von der Wiederherstellung „elementarer Sicherheit und Gerechtigkeit“ (siehe Artikel FR). Eine Argumentation, die auch hier nicht unbekannt ist.

Es gibt Berichte über ein zu lasches Eingreifen der Polizei während der jüngsten Übergriffe. Die pogromartigen Angriffe erinnern stark an Mordserien jüngster Geschichte gegenüber Roma in Osteuropa, wie beispielsweise zwischen 2008 und 2009 in Ungarn, der insgesamt 6 Menschen zum Opfer fielen. Ordnungskräfte rühmten sich damals an den Tatorten damit, die Aufklärung zu sabotieren. Staatliches Versagen bei der Aufklärung von rassistischen Gewaltverbrechen ist dabei keineswegs eine Spezialität in Osteuropa, sondern entlarvte auch den tiefsitzenden institutionellen Rassismus in Polizei und Behörden der Bundesrepublik im Zuge der Ermittlungsmängel nach der NSU-Mordserie. Opfer und Angehörige von rassistischen Mordanschlägen bleiben somit zunächst ohnmächtig zurück und fragen sich ratlos, wer ihre Rechte auf körperliche Unversehrtheit und eine menschenwürdige Existenz einklagen soll.

Die Verlautbarungen des ukrainische Innenministers Arsen Awakow, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen und derartige Vorfälle zu verhindern, wirken scheinheilig, solange extrem rechte Bataillone als Bestandteil der dem Innenministerium unterstellten Nationalgarde legitimiert werden. Ihr menschenverachtendes Gedankengut leiten die Mitglieder dieser Gruppierungen u. a. aus der Zeit der Kollaboration mit dem NS-Regime während der deutschen Besatzung ab. Auf Demonstrationen werden seit dem offenen Konflikt mit Russland NS-Symboliken oder das Konterfei Stephan Banderas präsentiert. Banderas wird als nationaler Held parteiübergreifend in der Ukraine verehrt, obwohl er offen mit den Nazis zusammenarbeitete. Die Kollaboration aus ukrainischen Rechten, Antikommunisten und nationalen Kräften mit SS und Wehrmacht dokumentiert die Mitverantwortung an Verbrechen der Nazis. Diese Erinnerungslosigkeit führt auch angesichts der aktuellen Krim-Krise zu einer Idealisierung der Kooperation mit den NS-Besatzern. Von dem Vernichtungsprogramm der Deutschen während der Besetzung der Ukraine, der Durchführung der Shoah und des Porajmos, der Vernichtung der Roma und Sinti, waren neben 200.000 ukrainischen Jüdinnen und Juden auch zehntausende ukrainische Roma betroffen.

Roma sind in der heutigen Ukraine eine vergleichsweise kleine Minderheit, mit etwa 50.000 Angehörigen. Die meisten von ihnen leben im westlichen Teil. Insbesondere in die Region um Kiew sind Roma aus den umkämpften Gebieten im Donbass als Binnenkriegsflüchtlinge zu Verwandten in die westlichen Gebiete der Ukraine gezogen. Während nationaler, staatlicher und wirtschaftlicher Krisen und Umbrüche stellen Roma eine Projektionsfläche für das „Fremde“ und „Andere“, das außerhalb der nationalen Einheit steht, dar. Sie werden mit der umgreifenden sozialen Unsicherheit, die mit den politischen Krisen einhergeht, personifiziert.

Ursachen für die Abwertungen der Roma in Osteuropa liegen in den über Jahrzehnte fortgeführten, systemwechsel-resistenten Vorurteilen, welche nicht selten in Diskriminierung und dadurch bedingte offene Armut mündet. Die Verantwortung für die Verarmung ist im öffentlichen und alltäglichen Denken der Mehrheitsgesellschaft immer bei den Roma selbst zu finden. Sozial und wirtschaftlich marginalisierte Roma werden als ordnungs- und strafrechtliches Problem betrachtet, ihre Lage wird regelmäßig durch rassistische Verweise auf angeblich geteilte Verhaltensweisen und Einstellungen erklärt.

An die gesellschaftlichen Ränder gedrängt, durch Versuche, in provisorischen Siedlungen als Tagelöhner und Bettler über die Runden zu kommen, sind Roma in der Ukraine heute einmal mehr offen und wehrlos dem Ausbruch von Gewalt und Antiziganismus ausgesetzt.

Die Grünen Frankfurt und die Landtagsabgeordnete Frau Feldmann unterstützen die Kundgebung und wenden sich gegen die öffentliche Ignoranz.

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma fordert die Parlamentarische Versammlung der

OSZE, die im am 7. Juli 2018 in Berlin tagt, auf, die rassistischen Überfälle auf Roma in der Ukraine zu verurteilen.  Ebenso solle die Parlamentarische Versammlung die Situation von Roma in Europa in die beabsichtigte „Berliner Erklärung“ aufnehmen und den massiven und gewaltbereiten Antiziganismus eindeutig verurteilen.

Der BundesRomaVerband hat zu Demonstrationen in Berlin und den ukrainischen Generalkonsulaten in Düsseldorf, Hamburg, München und Frankfurt aufgerufen.

Der Roma e. V. in Köln appellierte an die Bundesregierung, durch das Minsker Abkommen auf die ukrainische Regierung einzuwirken, dass die Verbrechen lückenlos aufgeklärt werden und die öffentliche Gewalt gegenüber Roma geächtet wird.

Die ukrainische Regierung unternimmt zu wenig gegen das Aufkommen extrem rechter und neofaschistischer Gruppierungen. Straffreiheit und politische Rechtfertigung von selbsternannten rassistischen Bürgerwehren, die als paramilitärische Gruppen aufmarschieren und systematisch Andersdenkende, sexuelle und ethnische Minderheiten in der Ukraine offen bedrohen und angreifen, müssen beendet und die Täter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

Es liegt in den Händen der Europäischen Gemeinschaft, Druck aufzubauen und sich dem fatalen Rechtsruck und den Pogromen gegen die in der Ukraine lebenden Roma entgegenzustellen. Die Verantwortlichen der EU schweigen bisher dazu.

Der Förderverein Roma fordert die Bundesregierung auf, den bedrohten Roma Asyl zu gewähren.

http://www.fr.de/politik/angriffe-gegen-roma-in-der-ukraine-mittelalterliche-barbarei-a-1533054,0#artpager-1533054-1

https://www.boell.de/de/2018/06/26/anti-roma-angriffe-der-ukraine-was-steckt-dahinter

https://de.wikipedia.org/wiki/Stepan_Bandera

http://zentralrat.sintiundroma.de/antiziganistischer-pogrom-in-der-ukraine/

Stoppt die Eskalation der ultrarechten Gewalt gegen Roma in der Ukraine!

 

 

Förderverein Roma e. V.

Niddastraße 66, 60329 Ffm.

und J. H.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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