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Resignations-Syndrom. Schwedens rätselhafte Krankheit

Resignations-Syndrom. Schwedens rätselhafte Krankheit

Seit beinahe zwei Jahrzehnten bekämpft Schweden eine mysteriöse Krankheit. Sie wird Resignations-Syndrom genannt und betrifft ausschließlich Kinder von Asylsuchenden. Die Kinder ziehen sich völlig zurück, hören auf zu gehen, zu sprechen und können ihre Augen nicht mehr öffnen. Irgendwann erholen sie sich.

Als ihr Vater sie aus dem Rollstuhl hebt, scheint die neunjährige Sophie leblos. Ihr Augen sind geschlossen, und sie trägt eine Windel. Ein transparenter Schlauch läuft in Sophies Nase – seit 20 Monaten wird sie über eine Sonde ernährt.

Sophie und ihre Familie sind Asylsuchende aus der ehemaligen Sowjetunion. Die Familie kam im Dezember 2015 an und lebt seither in einer Unterkunft für Geflüchtete in einer schwedischen Kleinstadt.

„Wenn ich den Eltern erkläre, was passiert ist, sage ich ihnen, die Welt sei so schlimm für Sophie, dass sie sich in sich selbst zurückgezogen habe und den bewussten Teil ihres Gehirns abgeschaltet habe,“ sagt Elisabeth Hultcrantz, ehrenamtliche Ärztin bei Ärzte der Welt.

Das Gesundheitspersonal, das diese Kinder behandelt, sieht Traumatisierung auch als Grund für ihren Rückzug aus der Welt. Am meisten gefährdet sind jene Kinder, die extreme Gewalt erlebt haben oder deren Familien einer zutiefst unsicheren Umgebung entflohen sind. So auch Sophies Familie.

Sophie hörte auf zu sprechen und zu essen, nachdem der Familie mitgeteilt worden war, dass sie nicht in Schweden bleiben könne.

Erste Berichte über das Resignations-Syndrom gab es Ende der 1990er Jahre. Mehr als 400 Fälle wurden in den Jahren 2003-2005 gemeldet.

Als mehr und mehr Schweden begannen, die Folgen von Immigration zu fürchten, wurden diese „apathischen Kinder“, wie sie genannt wurden, zum Politikum. Es wurde berichtet, die Kinder würden die Krankheit vortäuschen oder Eltern würden ihre Kinder vergiften, um ihren Aufenthalt zu sichern. Keine dieser Geschichten konnte belegt werden.

Besonders gefährdet erscheinen Kinder aus bestimmten Regionen und ethnischen Gruppen: aus der ehemaligen Sowjetunion, vom Balkan, Roma-Kinder und neuerdings Jesiden. Nur eine kleine Anzahl von ihnen sind unbegleitete Geflüchtete, keine aus Afrika und nur sehr wenige aus Asien. Anders als bei Sophie haben viele der betroffenen Kinder seit Jahren in Schweden gelebt, sprechen die Sprache und sind in ihrem neuen Leben gut zurecht gekommen.

Über zahlreiche, dem Resignations-Syndrom ähnliche Symptome wurde bereits zuvor berichtet – z.B. bei Häftlingen der NS-Konzentrationslager. In Großbritannien wurde in den frühen 1990er Jahre eine ähnliche Krankheit bei Kindern bekannt, aber es gab nur eine kleine Anzahl Fälle und keine unter Asylsuchenden.

Auszugsweise Übersetzung des Artikels von Linda Pressly auf bbc.com, 26. Oktober 2017
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