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Simonida Selimović Roma-Aktivistin, Schauspielerin und Theatermacherin

Simonida Selimović Roma-Aktivistin, Schauspielerin und Theatermacherin

Simonida Selimović wurde 1979 in Jugoslawien geboren und zog als Kind mit ihrer Familie nach Österreich. Ihre Karriere als Schauspielerin in Film (z.B. Ciao Chérie und Zerschlag mein Herz), Fernsehen (SOKO Kitzbühel u.a.) und Theater führte sie an verschiedene Orte, vor allem in Österreich und Deutschland. Sie war und ist unter anderem in Wiener Theatern, am Schauspielhaus Essen und am Maxim Gorki Theater in Berlin tätig. 2010 hat sie zusammen mit ihrer Schwester Sandra Selimović Romano Svato gegründet, einen Verein, über den die beiden professionellen Schauspielerinnen ihre künstlerischen Ideen umsetzen. Sowohl ihre Theaterstücke als auch die Musik, die die beiden Schwestern als Rap-Duo Mindj Panther machen, sind hochpolitisch und stark von ihren feministischen, antirassistischen und emanzipatorischen Vorstellungen geprägt. Die Gleichberechtigung der Roma spielt dabei immer eine wichtige Rolle.

Ihr Stück Roma Armee greift die Gefahr des grassierenden Neofaschismus in Europa auf. Die transnationale und -kulturelle feministische Roma Armee kämpft darin gegen Diskriminierung und Rassismus. Das Stück Gipsy Stop Dancing spielt – mit Rekurs auf den deutschen Boxmeister Rukeli Trollmann, der als Sinto im KZ ermordet worden ist – im heutigen Ungarn. Die Protagonistin ist eine Romni, die sich als Boxerin nach oben kämpft. Sie tut das in einem Land, in dem der Rassismus gegen Roma nicht selten mörderische Züge annimmt.

Zum Gedenken an die Opfer des Porajmos veranstaltete Romano Svato anlässlich des 80. Jahrestags des Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland 2018 das Festival E Bistarde. Vergiss mein nicht. Wie auch in Deutschland wurde die Verfolgung der Roma in Österreich nicht anerkannt. Da es in Wien kein zentrales Mahnmal für die im NS verfolgten und ermordeten Roma und Sinti gab, organisierte Roma Svato das Festival als temporären Gedenkort. Das internationale Festival fand 2023 zum dritten Mal statt.

Die Gegenwart der Vergangenheit findet sich in den Stücken von Romano Svato ebenso wie die Rolle(n) von Frauen in der Gesellschaft und die Situation von Geflüchteten. In dem Stück Heroes geht es um drei Frauen, die in Abschiebehaft sitzen. Sie kamen aus verschiedenen Ländern und hatten verschiedenen Gründe nach Österreich zu fliehen. Verhandelt werden diverse Ebenen von Macht- und Gewaltausübung: die patriarchalische Macht und die Gewalt des Systems, in dem sie gefangen sind.

Die Corona-Pandemie war für die Theater- und Musikwelt ein schwerer Schlag. Über lange Zeit durften gar keine Aufführungen stattfinden, teilweise waren sie unter Auflagen erlaubt, um dann wieder gänzlich verboten zu sein. Für viele Kulturschaffende brachen die Quellen ihres Einkommens somit weg. Es waren neue Wege nötig, zu überleben und Kultur zu den Menschen zu bringen. Romano Svato schuf mit Romflix digitales Theater. Man kann sich die Stücke im Stream ansehen. Gleichzeitig erreichen sie so Menschen, die vielleicht nicht ins Theater gehen würden, und bauen damit Brücken.

Auch wenn es keine Restriktionen wegen der Pandemie mehr gibt, so verzichten viele Menschen nach wie vor darauf, Orte mit vielen Menschen aufzusuchen. Für Romano Svato ist das Streamen der Stücke allerdings auch ein Türöffner, um die Roma-Community besser zu erreichen. Da Institutionen für Roma häufig mit Diskriminierung verbunden sind, gehen viele vielleicht nicht ins Theater vor Ort, können nun aber Theater streamen. Zudem öffnet Romano Svato als Romnja-Theater natürlich auch noch andere Türen. Angehörige der Community, insbesondere Frauen, schaffen sich eine Bühne und somit Repräsentanz und machen Platz für Themen, die auf Mainstream-Bühnen keinen Platz haben. Sie können Figuren jenseits der Klischeevorstellungen über Roma schaffen, mit Vorurteilen brechen und durch Kunst Verständnis für die Komplexität der Wirklichkeit herstellen.

Simonida Selimović macht nicht nur Kunst, sie ist auch eine grandiose Moderatorin wie sie uns beim Welt Roma Kongress 2023 in Berlin gezeigt hat. Dort hat sie mehrere politische Panels moderiert, darunter die abschließende Diskussion, in der es um die Visionen von Roma für Europa ging.

Am 17. Januar 2024 feiert das von Simonida Selimović geschriebene und von RomaniPhen und Romnja Power Theaterkollektiv produzierte Stück an der Volksbühne Berlin Premiere: Noncia Alfreda – Heldin des Widerstands. Alfreda Markowska, genannt Noncia, war eine polnische Romni. Nachdem sie selbst ein Massaker im besetzen Polen überlebt hatte, rettete sie als Zwangsarbeiterin mehr als 50 Kinder vor der Ermordung durch die Nazis. Sie rettete sie aus Deportationszügen nach Auschwitz und suchte an Orten von Massakern nach Überlebenden. Die Kinder zog sie selbst auf oder suchte ihnen Familien, die sie aufnahmen. Simonida Selimović verhandelt Noncias Leben dabei aus feministischer Perspektive und löst Stereotype auf. Ein gängiges sexistisches Klischee über Romnja betrachtet diese als Gebärmaschinen. Markowska wurde tatsächlich Mutter von mehr als 50 Kindern. Sie riskierte ihr eigenes Leben, um sie zu retten und zu schützten. Sie versteckte und ernährte sie. Sie gab Waisen eine Familie und war ihnen eine Mutter.

Die Premiere ist bereits ausverkauft, jedoch sind noch Karten für die folgenden Aufführungen zu bekommen.

Viele Informationen über die Arbeit von Simonida  Selimović und Romano Svato findet ihr auf ihrer Webseite: https://www.romanosvato.at/

Die von ihr moderierten Panels (und auch alle anderen) findet ihr hier: https://www.youtube.com/@ROMADNESSStrangeMovies/videos

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